Mordsmäßig fit
keinen Anwalt hatte, der ihn an seine Rechte erinnerte. Vielleicht denkt er nicht daran, sich einen zu nehmen. Sie wimmerte wie ein Baby und haßte sich dafür. Es war, als ob die Bedrohung aus allen Wänden quoll. Sie würde wahnsinnig werden. Es sei denn, sie sprach mit jemandem. Zögernd ihren Widerstand überwindend, rief sie Jeff an. Sie fragte sich, warum ihr Gefühl ihr sagte, ihm trauen zu können. Dann, ihm nicht zu trauen. Von einem Tag auf den anderen. Ihr Mißtrauen vermischte sich mit ihrer Zuneigung für ihn. Er war, wie sie, ein schwieriger Mensch. Mit so vielen Seiten wie ein geschliffener Stein. War eine seiner Facetten die dunkle und tödliche Natur eines Mörders? Sie wußte es nicht. Und sie konnte es nicht ertragen, noch einen Augenblick länger allein zu sein. Er reagierte kühl. Das hatte sie erwartet. Erst als sie ihm die ganze Geschichte über Dinah, Beth und Hector erzählte, wurde er freundlicher. Der helle, fragende Ton kehrte in seine Stimme zurück. Sie versuchte, sich nicht zu lange über Karl auszulassen oder Jeffs Schnüffelei im Club - das Medizinschränkchen nicht zu vergessen, wo sie Hectors Lockkärtchen gefunden hatte.
»So, Hector ist also zwischen den beiden Frauen?«
»Ja.«
»Ist er vielleicht noch zwischen anderen, schlimmeren Dingen?«
»Erinnerst du dich nicht? Ich hab dir doch erzählt, daß ich ihn von der Polizei überprüfen ließ. Er hat ein Alibi für alle drei Morde.«
»Und als Sam starb?«
Sie zögerte. »Weißt du, daran habe ich noch gar nicht -«
»Und du wirst von jemandem bedroht, der >wir< sagt. Vielleicht arbeitet Hector mit jemandem zusammen.« Jeffs Stimme überschlug sich vor Aufregung. »Diese andere Person hat Eloise, Nicole, Chantelle und den Reporter umgelegt; vielleicht hat er Sam umgebracht und die Drohbriefe geschrieben.«
»Ich weiß nicht, Jeff. War er denn da, als Sam starb?«
Jeff stockte. Seine Begeisterung schwand. »Ich erinnere mich nicht, ihn gesehen zu haben. Ich denke, es gibt immer noch die Möglichkeit, daß Sam sich das Leben genommen hat. Es gibt ja keinen Beweis dafür, daß es kein Selbstmord war, oder?«
»Nein.« Plötzlich erinnerte sie sich. Karl hatte Jeff im dritten Stock gesehen. Kurz bevor Sam gestürzt war. Aber nur Karl war kräftig genug, einen sich wehrenden Mann über das Geländer zu hieven. In den entfernten Winkeln ihres Verstandes gab es lauter Kleinigkeiten, die sie zu einem Ganzen hätte zusammenfügen sollen, um zu erklären, was passiert war. Und mit der Erklärung käme die Identität derjenigen, die sich als ihre erbitterten Feinde herausstellten. Aber es war alles so kompliziert und durcheinander. Sie konnte diese kritischen Schlüsse nicht ziehen. Vielleicht hatte sie noch vier Tage.
»So, was wird aus uns in der ganzen Angelegenheit, Dawn?« fragte Jeff. »Sind wir genau da, wo wir angefangen haben, hm?«
»Ich glaube schon.«
Dann überraschte Jeff sie. »Dawn, ich will dir helfen. Von ganzem Herzen. Ich will tun, was immer in meiner
Macht steht. Ich könnte es nicht ertragen, wenn dir etwas zustößt, das ich hätte verhindern können. Weißt du, was ich wirklich für dich empfinde? Kannst du es denn nicht erahnen nach all der Zeit, die wir miteinander verbracht haben?«
Sie schloß die Augen, umklammerte den Hörer, versuchte, alle Häßlichkeit auszuschließen und sich aufs Schöne zu konzentrieren.
»Ich hoffe, du sagst mir, daß du mich liebst!«
»Ja. Ich habe die ganze Zeit versucht, es zu sagen. Aber du mußt eines tun. Ich denke, du weißt, was.«
Sie zögerte, fühlte sich plötzlich vollkommen einfallslos.
»Ich bin mir nicht sicher«, sagte sie.
»Dawn, ich muß wissen, daß du mir vertraust.«
»Jeff...«
»Das hast du nämlich nicht, weißt du? Ich bin nicht leicht zu verletzen, aber du hast es geschafft.«
»Es tut mir leid.« Oh, es war ihr Ernst!
»Wirst du mir vertrauen? Von jetzt an?«
»Ja!«
Er schwieg. Sie merkte, seine Gedanken überschlugen sich. Wie konnte er ihr helfen? »Dann gib mir Hectors Privatnummer«, sagte er.
»Warum?«
»Weil ich mit ihm sprechen möchte, natürlich.«
»Worüber?«
»Kümmer’ dich nicht darum. Ich sag’s dir später. Denk’ dran, ich bitte dich, mir zu vertrauen.«
»Ich will nicht, daß Beth wehgetan wird!«
»Vertrau mir!«
»Hector ist für ein paar Tage weggefahren - soweit ich es verstanden habe.«
»Fein. Ich werde ihn erwischen, wenn er zurück ist«, sagte Jeff.
»Die Ideen, die du hattest über das, was
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