Mordsonate
zuletzt geleugneten Tat erhofften. Er habe sich mit dem Leintuch in seiner Zelle erhängt. Nein, Anja Weger sei bislang nicht gefunden worden.
Die Radionachrichten würden die Geschichte schon mittags bringen, das Salzburger Privatfernsehen am späten Nachmittag, das in Wien, die öffentlich-rechtlichen und die zahlreichen deutschen Anstalten am frühen Abend einsteigen und die Zeitungen am nächsten Morgen damit aufmachen.
Gerlinde hatte die Rückstände, die sich in ihrer Abwesenheit angehäuft hatten, noch gestern bis in den späteren Abend hinein aufgearbeitet und den DI soeben beiläufig darum gebeten, einen Amtsbesuch machen zu dürfen.
»Kein Problem, Gerlinde«, sagte der Chef gut gelaunt. »Solange Sie mir nur wiederkommen!«
Er wollte nichts Näheres wissen – Gerlinde hätte sonst behauptet, ihren Pass verlängern lassen zu müssen. Mit einem Lächeln, das ihr angesichts der wahrscheinlichen Konsequenzen ihres Vorhabens schwer fiel, verließ sie das Chefbüro und bald darauf auch ihren Arbeitsplatz.
Sie hatte die Tür schon hinter sich zugezogen, als sie aus ihrem Büro das Telefon hörte und schnell noch einmal hinein lief.
»Wie bitte? Ein Herr Koller? Für mich?«
»Ja«, antwortete der Mann vom Empfang, »Gruppeninspektor Koller – er möchte Sie sprechen, Frau Brunner.«
»Mich? Ja, warum denn?«
Sie hörte, wie der Portier die Frage weitergab, ohne die Antwort des Polizisten zu verstehen.
»Frau Brunner?«
»Ja.«
»Es geht um den Vorstandsdirektor Weger.«
Gerlinde griff sich verwirrt an die heiße Stirn. Im ersten Moment brachte sie vor Schreck kein Wort heraus. Sie überlegte allen Ernstes, wie sie ungesehen an dem Beamten vorbei aus dem Haus kommen könnte, um mit ihrer Selbstanzeige doch noch schneller zu sein. Aber … nein, mein Gott. Jetzt war es … es war also vorbei! Hans hatte schon ausgesagt. Natürlich! Was hatte sie denn gedacht, dass er tun würde? In seiner Lage! Ich muss … wie kann ich vorher noch meine Anzeige machen … wie nur, dachte sie in einem fort, während das Blut in ihren Schläfen pochte und ihr die Beine wegzuknicken drohten.
»Frau Brunner? Soll ich ihn gleich hinaufschicken?«
»Äh, ja, Herr Tröger … doch nein, ich war schon aus dem Büro, weil ich kurz weg muss. Bitte sagen Sie dem Herrn,ich komme hinunter … er soll doch im kleinen Besucherzimmer auf mich warten, ja?«
»Wird gemacht, Frau Brunner.«
Mit dem Fund der Leiche – der Chefinspektor hatte deren Identifizierung auf seinen Stellvertreter abgeschoben, da er zur Pressekonferenz musste – wäre es mit dem Stillstand in diesem verzwickten Fall endlich vorbei. Und die Zuversicht, die Erich schon bei der Pressekonferenz erfüllt hatte, hielt an. Gleichzeitig wich die lähmende Anspannung, die von den medialen Attacken auf seine Person ausgelöst worden war, einem großen Tatendrang. Er war von seinem Schreibtisch zurückgerutscht und hatte die Finger hinter seinem Kopf verhakt, um sich zu strecken und die nächsten Schritte zu überlegen (vor allem über Wegers Suizid nachzudenken), als ihn der Ton einer Fahrradklingel, der ihm das Eintreffen einer neuen E-Mail anzeigte, wieder an seinen PC heranrollen ließ: Babsi meldete sich aus dem Süden Kretas.
Hi Erich!
Ich hoffe, es geht dir gut und du kommst voran. In jeder Beziehung ;-)
.
Erich schmunzelte. Natürlich war ihr vor ihrer Abreise nicht verborgen geblieben, was sich zwischen ihrem Onkel und dieser Klavierprofessorin zu entwickeln begann.
Mir geht es blendend! Meine Alt-Hippie-Reportage wurde schon gekauft (samt Fotos)! Ich habe auch O-Ton-Material für ein Radio-Feature aufgenommen und freue mich auf die Arbeit. Überdies bin ich hier in der Nähe auf Zeitzeugen für Geschichten aus dem II. Weltkrieg gestoßen – ein Hammer, Erich! Ich habe unglaubliche Aufnahmen gemacht. Und viele Fotos. Ich bin so aktiv, dass ich RADIOakkktiv sausen lasse. Den BSL brauchst du also meinetwegen nicht mehr aus demVerkehr zu ziehen :-). Sobald ich zurück bin, werde ich mich als Freelancerin selbst versichern. Die Geschäftsführerin hat mich sowieso längst abgemeldet – das ist ihre Form der Aktivität. Aber ich bin hier absolut nicht in Stimmung, zu jammern, Erich, ganz im Gegenteil
.
Ich habe für morgen einen günstigen Flug erwischt, da meine Freunde mit dem Bus länger als geplant bleiben wollen. Ich bin bald daheim und werde mir endlich dein Oberboss-Büro ansehen kommen
.
Viele Bussis von deinem braven Mäderl!
Obwohl er selbst
Weitere Kostenlose Bücher