Mordsonate
jemand?«
»Es ist verpachtet.« Der gerade noch so redselige Mann wurde einsilbiger.
»Also ein Ferienhaus?«
»War wohl so geplant, ja.«
Erich hatte den Eindruck, als würde sich der Bauer, der nun auch seinem Blick auswich, durch diese Fragen in die Enge getrieben fühlen. »Und jetzt nicht mehr?«
»Die bleiben doch nie mehr so lange zusammen, heutzutage. Zuerst hat er so gedrängt«, rechtfertigte sich der Landwirt, »unbedingt auf zwanzig Jahre wollte er es haben. Zwanzig Jahre! Ich war gar nicht dafür. Dagegen war ich. Dagegen. Er hat aber keine Ruhe gegeben. Na ja, wenn er renoviert, möchte er auch etwas davon haben. Er hat immer mehr geboten, Sie verstehen.« Der Mann sah ins Leere, bevor er weniger eintönig als zuvor sagte: »Aber nach einem Jahr schon alles wieder rückgängig machen, nein, dafür war ich dann nicht zu haben! Was liegt, das pickt.« Der Bauer presste seine Lippen fest aufeinander, seine Gesichtszüge verhärteten sich erkennbar, als er an Erich vorbei zu dem kleinen Haus sah.
»Das Paar hat sich getrennt, verstehe ich das richtig?«
Der Bauer nickte.
»Und da wollte er den Pachtvertrag rückgängig machen?«
Erneutes Nicken des Bauern. »Ich hätte doch so schnell nicht wieder jemanden gefunden, ich meine, zu den Bedingungen schon gar nicht. So viele Jahre im Voraus bezahlt – das Geld hatte ich doch längst nicht mehr! Habe es in Maschinen und den Stallausbau gesteckt. Das war doch längst weg. Und zur Bank – die Bank ist doch bei mir eh schon im Grundbuch drinnen. Nein –« Er unterbrach sich selbst und schwieg.
»Sie haben aber noch Kontakt mit dem Pächter?«
»Kontakt. Was heißt schon Kontakt. Reden tun wir nicht mehr miteinander. Und sehen tu ich ihn auch nicht mehr.« Er hielt kurz inne, leckte sich den Mundwinkel, nachdem er davor mit der Zunge seine rechte Wange ausgebeult hatte, und fügte mit einem verschlagenen Grinsen hinzu: »Beim Häusel selber hab ich nichts zu suchen. Es ist ja langfristig verpachtet.«
Erich wies Harlander an, mit dem Bauern zu dessen Hof zu fahren, um die Daten des Pächters zu erheben und sich einen Schlüssel für das kleine Haus mitgeben zu lassen. Davor rief er dem Bauern noch nach, welchen Beruf der Pächter denn habe.
»Lehrer … Musiklehrer.«
Erich überlief eine Gänsehaut, als er das hörte. Das passierte ihm immer, wenn bei Ermittlungen plötzlich ein Mosaikstein zum anderen passte.
»Haben Sie ein Foto von ihm?«
»Foto? Nein. Foto habe ich keines. Lange Haare hat er. Hinten zu so einem Rossschweif zusammengebunden.«
Erich nickte und ging zur Tatortgruppe zurück. »Wie schaut es aus?«
Die Medizinerin war schon beim Gehen: »Wie gesagt, auf die Schnelle ist nicht viel … ob ein Sexualverbrechen vorliegt, muss ich mir anschauen. Und auf den Todeszeitraum können wir dann, wie gesagt, nur anhand der Maden und Insekten schließen. Ich muss Sie auf die Obduktion vertrösten.«
»Natürlich, ja. Danke einstweilen.« Der Chefinspektor wandte sich an den Leiter der Spurensicherung: »Ich lasse gerade den Schlüssel für das Haus dort unten holen.«
Der Kollege sah in die Richtung, die Erich ihm wies, und nickte: »Schauen wir uns natürlich an, klar.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Erich und griff nach seinem Mobiltelefon, während er wieder einige Schritte wegging.
»Was?« rief er in sein Handy. »Ach du Scheiße! Scheiße! Auch das noch. – Ja, danke, natürlich, danke. Ja, Kollege, auf alle Fälle persönlich. Das geht in den Überstundenbereich hinein, das lässt sich nicht vermeiden, Kollege Mühlbauer. Wir sind sowieso unterbesetzt.«
8
Vielleicht lag es auch daran, dass das schwüle Wetter zu Ende war: Chefinspektor Dr. Erich Laber fühlte sich frisch und zuversichtlich, als ihm Oberst Bermadinger nach der Pressekonferenz zum Fund der Leiche Birgit Abergers und Hans Wegers Suizid die Hand schüttelte und in diesem komplizierten Fall gutes Vorankommen wünschte. Sie hatten keine näheren Details zum Zustand der Leiche bekannt gegeben und auch den Fundort aus ermittlungstechnischen Gründen noch nicht verraten – einzig auf Nachfrage eines jungen Fernsehjournalisten bestätigt, dass die schon zuvor aufgefundenen Finger des Kindes tatsächlich gefehlt hatten, die übrigen aber nicht abgetrennt worden seien. Ein Sexualverbrechen konnten sie bereits ausschließen. Ohne Näheres dazu sagen zu können: Hans Weger habe Papiere hinterlassen, aus denen sie sich weitere Aufschlüsse hinsichtlich der von ihm bis
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