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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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was dem Mann heute an Ungemach widerfahren war. Sie nahm ihn sofort gefangen.
    Roland Brammers und Gerlinde Brunners Blicke trafen sich – und sie lächelten einander gleichzeitig an. Als die Unbekannte langsam an ihm vorbeiging, sagte er: »Ach …«
    Sofort blieb sie stehen und sah ihn halb über die Schulter amüsiert an. »Ja?«
    »Wollten wir nicht … auf einen Kaffee gehen?«
    »Doch, das wollten wir.«
    »Sie checken hier ja nicht für länger ein, oder?«
    Das amüsierte Lächeln in Gerlindes Gesicht wich kurz offener Verblüffung. Dann lachte sie ausgelassen auf. »Nein, ich unterschreibe nur schnell etwas … obwohl«, setzte sie übermütig hinzu, »würden wir das eigentlich nicht alle verdienen, einmal hier behalten zu werden, für unsere Verfehlungen?«
    Roland Brammer fand die so unoriginell gekleidete Frau sehr originell. Schnell sagte er: »Ich warte auf Sie.« Mit einem Augenzwinkern meinte er: »Auch wenn es länger dauern sollte. Wegen der Verfehlungen …«
    Sie nickte lächelnd und setzte ihren Weg fort. Die Wirkung des Sektes hatte nachgelassen – sie hatte allein fast eine ganze Flasche geleert, Glas für Glas immer ausgelassener der nicht mehr weinenden Mozartstatue zugeprostet, an der sie dann schon jenes Augenzwinkern wahrzunehmen vermeinte, das sie gelegentlich an ihrem Klammeräffchen bemerken zu können glaubte. Nein, die Sektlaune war jetzt einer ganz anderen Euphorie gewichen!
    Roland Brammer ging bis zum nächsten Fenster und stellte sich davor. Wer hatte dabei wohl Regie geführt? Was für ein wunderbarer Zufall. Irrtümlich festgenommen – und jetzt womöglich … lebenslang!
    Der Chefinspektor starrte den verträumt aus dem Fenster blickenden Mann fassungslos an, nachdem er die Toilette verlassen hatte. »Herr Brammer – Sie? Meine Leute haben Sie gehen lassen?«
    »Ja, sie melden sich, wenn das Protokoll zu unterschreiben ist. Ich habe heute nämlich noch einen Schüler … und vorher eine ziemlich wichtige Verabredung.«
    »So leid mir das tut, Herr Brammer, aber … so einfach wird das nicht gehen. Um eine Untersuchungshaft kommen wir nicht herum. Solange dieser ominöse Joachim Bernberger nicht gefunden ist, besteht Verdunkelungsgefahr. Wir müssen es mit einem Phantombild versuchen. Also, trotz unserer wirklich bedauerlichen Verwechslung, Herr Brammer, so wie es momentan ausschaut, sind Sie der Hauptverdächtige.«
    Roland Brammers Gesicht wurde fahl. Er wirkte von einer Sekunde auf die andere verzweifelt und griff mit einer fahrigen Bewegung nervös nach seiner Pferdeschweiffrisur. »Aber ich …«
    »Wir müssen das klären, den Mann finden, denn sonst schaut es nicht gut aus für Sie. Auch ohne einschlägige Vorstrafe.« Erich war gerade durch den Kopf gegangen, ob nicht sogar Weger, Hans Weger … aber könnte sich der als Student ausgegeben haben, mit fünfunddreißig, sodass ihn Brammer dann auf zwanzig Jahre schätzen würde? Vielleicht stimmte das gar nicht, dass Brammer nur Gitarrestunden gab … womöglich erteilte er sehr wohl auch Klavierunterricht. Und zwar in dem alten Haus, wo sichkeine Nachbarn gestört fühlen würden. Auf dem Pianino, das ihm gehörte und nicht diesem großen Unbekannten? Doch warum war das Instrument dann nicht gestimmt?
    »Aber wenn ich doch –«, begann Herr Brammer verzweifelt und brach ab, als er die Frau aus dem Büro herauskommen sah, in dem sie vorhin verschwunden war.
    Beschwingten Schrittes kam Gerlinde Brunner auf die beiden Männer zu. Noch ehe sie bei ihnen angelangt war, rief ihr Brammer schon aufgeregt entgegen: »Ich glaube … es ist verhext, aber … jetzt ist es umgekehrt! Warten Sie auf mich? Ich meine, eventuell ein bisschen länger?« Er zog seine Brieftasche und entnahm ihr eine knallgelbe Visitenkarte mit rotem Schriftzug. Erich war verblüfft – aber Roland Brammer war immerhin Kleinunternehmer.
    Gerlinde griff danach und berührte die Hand des Unbekannten, dabei sahen sie einander in die Augen. Mit festem Ton sagte die Frau: »Ich warte auf Sie.« Dann entnahm sie ihrerseits ihrer Handtasche eine Karte und übergab sie dem aufgeregten Mann. Der bedankte sich und begann sich zu rechtfertigen: »Es handelt sich nur um ein Missverständnis. Ich wurde ja schon wegen einer Verwechslung hierher gebracht. Es lässt sich bestimmt alles bald klären.«
    Gerlinde nickte. Nickte mehrmals, während die beiden einander wieder in die Augen sahen und sich die Hände gaben. Hätte ihr Übermut nun nicht diesen unerwarteten

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