Mordsonate
sicher, von einem Klavierstudenten Joachim Bernberger wisse sie nichts. »Seit ich am Mozarteum bin, Erich, hat keiner so geheißen.«
»Danke, Vera. Das deckt sich mit unseren Ermittlungen.« Eigentlich mehr, um seiner Verwirrung Herr zu werden, meinte er noch, dass dieser große Unbekannte wohl nur eine saudumme Erfindung des Verdächtigten gewesen sei. Mit mehr Details, murmelte er entschuldigend, dürfe und wolle er sie jetzt aber nicht behelligen. Es gehe ziemlich rund bei ihnen. Deshalb könne es sein, dass er in den nächsten Tagen schwerer erreichbar sei und sich von seiner Seite nicht so oft bei ihr melden könne. »Bitte um Nachsicht, Vera. Wir sind dicht dran, glaube ich. Sehr dicht!«
»Wie gut, Erich, wenn dieser Alptraum endlich vorbei ist.«
»Ja, Vera – und wenn es vorbei ist, holen wir zwei alles nach, versprochen?«
»Versprochen, Erich.«
Kurze Zeit hörte er nur Veras Atem – und dann nochmals ihre leise Stimme, die jetzt dunkler klang: »Du machst mich … sehr glücklich! Wir … ich glaube … nein, ich habe ganz stark das Gefühl, dass es zwischen uns das ist, was ich mir immer gewünscht habe.«
»Mir geht es genauso, ganz genauso!«
Er atmete heftiger, suchte nach Beendigung des Gesprächs schnell eine der Kabinen auf und setzte sich mit klopfendem Herzen auf den geschlossenen Klodeckel. Das war doch … mein Gott, wie schön! Aber er war kein Süßholzraspler … hoffentlich hatte sie nicht den Eindruck, dass er … hatte er zu reserviert gewirkt? Aber nein – oder doch? Dass all das gerade jetzt geschah, wo er dieses Glücksgefühl nicht wirklich auskosten konnte! Aber er würde es nachholen. Sobald sein erster Salzburger Fall gelöst wäre, würden Vera und er … erst einmal die neue Wohnung einrichten – Brammers Erfahrungen zum Trotz! Dieser Brammer, dem durfte er bloß nicht in die Falle gehen. Denn für den Tatbestand war es unerheblich, dass sie beide mit Sicherheit eine vergleichbare Sozialisierung durchlaufen hatten, derselben Generation angehörten und vermutlich ziemlich ähnlichen Überzeugungen anhingen. Roland Brammer stand unter Verdacht! Und hielt sie wahrscheinlich zum Narren, mit seinen Geschichten … und Erich war nun einmal der Leiter der Ermittlungen, der den Musiker zumindest so lange in U-Haft nehmen musste, bis diese Bernberger-Geschichte geklärt wäre. Und plötzlich fiel ihm ein, was Brammer über Perfektion gesagt hatte. Sollte den Mann die Perfektion dieser Zehnjährigen dazu getrieben haben, das alles … sollte der Perfektionist Brammer, der seinem eigenen Perfektionsdrang abgeschworen hatte, ein so perfektes Kind nicht ertragen haben? Oder war essimpler Neid? Aber so eine Tat? Wäre ein Zusammenwirken von Brammer und Weger vorsteilbar?
Der Chefinspektor musste gegen seine Sympathie für den Mann ankämpfen, durfte dadurch aber auch nicht übersehen, was für ihn sprach. Als Erstes müsste diese Bernberger-Sache geklärt werden. Selbst auf die Gefahr hin, dass durch ein falsches Phantombild Unschuldige in Verdacht gerieten, nur weil sie einer allfälligen Brammer-Erfindung ähnlich sahen.
»Alsdann, meine Herren«, sagte Roland Brammer und klopfte sich klatschend auf seine Oberschenkel, bevor er sich erhob. »Ich denke, damit ist soweit alles geklärt?«
Die Beamten sahen ihn noch immer verdattert an und reagierten nur mit einem irritierten Nicken.
»Das Protokoll …«, meldete sich Mühlbauer etwas kleinlaut.
»Sie rühren sich einfach, wenn es soweit ist, dann schaue ich vorbei, ja?« Brammer warf einen Blick auf seine Uhr und sagte selbstbewusst: »Ich habe nämlich heute noch einen Schüler, der nicht schuldlos für diesen Irrtum büßen sollte.«
Der Mann war schon draußen, als dem Kontrollinspektor Zweifel kamen, ob sie ihn vor der Rückkehr des Chefs einfach ziehen lassen sollten. Aus irgendeinem Grund – es konnte nur die Folge der blamablen Verwechslung gewesen sein – lief er Roland Brammer nicht sofort nach, um ihn zurückzuholen! Selbst als er an die ungeklärte Bern-berger-Geschichte gedacht hatte.
Langsam schlenderte der Musiker den Gang entlang, wo ihm dann diese Frau entgegen kam, die ihn auf Anhieb faszinierte. Und dies, obwohl sie für seine Begriffe sehrspießig gekleidet war, in der mit zeitloser Eleganz Seriosität und Zuverlässigkeit signalisierenden Uniform einer ranghöheren Vorzimmer-Tussi. Doch dieses Wesen strahlte – strahlte nicht nur, sondern strahlte etwas aus, womit sie all das zu überstrahlen schien,
Weitere Kostenlose Bücher