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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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alle Fälle mussten die Abdrücke verglichen werden, auch mit den Schuhen von Brammer.
    Von den noch nicht zuzuordnenden identischen Fingerspuren, die an verschiedenen Lichtschaltern und Türen in unterschiedlichen Räumen des Hauses und an einigen der wenigen alten Möbelstücke aufgefunden wurden, dürften wohl die meisten von Herrn Brammer oder den Bauersleuten stammen. Der Abgleich war in Auftrag gegeben worden. Kein einziger dieser Abdrucke fand sich allerdings auf dem Pianino, das vor Birgit Abergers Spiel sorgfältig gereinigt und poliert worden sein musste.
    Je intensiver Erich versuchte, mögliche Szenarien des Verbrechens durchzuspielen, in denen Roland Brammer oder Hans Weger oder beide als Täter vorkamen, desto entmutigter fühlte er sich: irgendetwas schien in jedem dieser Denkmodelle einfach nicht hineinzupassen. Auch die Motivlage war bis auf Wegers Ehrgeiz immer noch unklar. Sollte Weger tatsächlich die Finger der Favoritin nicht nur eliminiert, sondern der Welt als Beweis dafür vorgelegt haben, dass Birgit Aberger nie wieder spielen würde? Faktum war, dass Weger für die Zeit des Verschwindens des Mädchens bloß das dürftige Alibi seiner Frau hatte – der von ihr angegebene Anruf war erfolgt, jedoch ziemlich kurz ausgefallen. Und die ENAG-Chefsekretärin hatte zu dem Schäferstündchen mit Weger in diesem Zeitraum nur sehr vage Angaben gemacht. An den der Entführung folgenden Tagen war der Vorstandsdirektor angeblich immer in der Stadt herumgeirrt. Aber sollte er Birgit tatsächlich mit dem eigenen Wagen entführt haben?
    Und Roland Brammer? Der passte doch von seiner Persönlichkeit nicht zu so einer Tat, es sei denn, er wäre ein Psychopath. Psychologische Untersuchung, notierte sich Erich mit drei Rufzeichen. Motiv? Musik. Seine Lebenssituation war wohl eher prekär – neidete er dem Kind den großen Erfolg, den frühen Ruhm? Hätte der Mann bei den Ein-vernahmenstärker unter Druck gesetzt werden müssen? Immerhin war Anja noch abgängig – aber sie hatte sich nachweislich nie in dem alten Haus befunden. Wäre da ein Trittbrettfahrer mit sexuellem Hintergrund am Werk?
    Hatte Weger einen Mörder gedungen, der sich als Joachim Bernberger ausgegeben hatte? Wer würde so ein Risiko eingehen? Nur jemand, der schnell wieder über alle Berge wäre. In den ehemaligen Oststaaten waren Killer preisgünstig zu engagieren. Aber weshalb sollte Weger sich dann selbst umbringen? Weil ihm, neben all seinen anderen Problemen, bewusst geworden war, dass die Tat an Birgit einen Nachahmungstäter auf den Plan gerufen haben musste, dem nun sein eigenes geliebtes Kind zum Opfer gefallen wäre? Oder sollte es gar kein plausibles Motiv geben, weil ein wohlstandsverwahrlostes Salzburger Bürgersöhnchen sich zum Zeitvertreib ein perfektes Verbrechen ausgedacht hatte? Als seinen perversen Beitrag zu den Salzburger Festspielen? Sollten sie alle in letzter Zeit vom Mozarteum im Fach Klavier abgewiesenen Kandidaten durchleuchten?
    Erich unterstrich noch einmal die Notiz zur Überprüfung von Roland Brammers finanzieller Situation, umkreiste gedanklich jedoch bald wieder Hans Weger als möglichen Täter, als ihn, fast wie auf dieses Stichwort, ein Anruf erreichte, der den Fall noch verworrener machte.
    Der junge, etwas korpulente, gedrungene Mann, der aus einer großen Packung Popcorn in sich hineinschaufelte wie ein Kind im Kino, sah so beiläufig zum Fernsehapparat, als befände er sich nicht allein im Zimmer, als dürfte er kein größeres Interesse an dem Bericht von der Pressekonferenz anlässlich der Auffindung der Leiche von Birgit Aberger verraten.
    Nach dem Ende des Beitrags schaltete er das Gerät aus und blieb eine Weile mit steifem Oberkörper reglos auf der Kante des Sofas sitzen und kaute langsam an dem Popcorn herum, das er noch im Mund hatte.
    Dieses Getue, Mama … mit derselben Sonate. Wunderkind, dass ich nicht lache! »Mozart würde weinen, wenn er das hören müsste!« So etwas einem Kind anzutun, Mama. Ja, ich weiß schon, das Wichtigste fehlt noch, in meiner Schöpfung. Das weiß ich doch, Mama. Der Abschluss der Komposition. Daran brauchst du mich doch nicht zu erinnern. Sie werden Augen machen, alle! Wenn dann das wahre Genie vor den Vorhang tritt. Niemand hat davon gewusst, niemand! Nur wir beide, Mama. Du wirst so stolz sein … die Augen der ganzen Welt richten sich dann auf das Genie. Endlich werden es alle, wirklich alle wissen, Mama, nicht mehr nur wir beide allein. Und du brauchst

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