Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
Vom Netzwerk:
von dort die Motorgeräusche eines Traktors hörte, die näher kamen und sich wieder entfernten.
    Dann hatte sie wieder das Bild im Pianino vor Augen – irgendwo musste ein Ofen stehen, der mit Holz beheizt wurde wie bei ihren Großeltern. Auch Oma machte beim Einheizen auf so einem niedrigen Hackstock direkt neben dem großen Herd in der Küche die Späne.
    Als ihr der eigene Uringeruch in die Nase stieg und sie auch ihren Schweiß roch, der irgendwie anders roch als der Schweiß nach einer Turnstunde, suchte sie Zuflucht zu Stoßgebeten, die ihre Befreiung beschleunigen sollten.
    Wie spät es denn nur sein mochte? Wie weit Mutti und Papa wohl noch entfernt waren? Und die Polizei? Ganz bestimmt suchten sie fieberhaft nach ihr – und würden sie finden! Denn der Mann, sagte sie sich, der würde ihr nichts tun. Wozu hätte er sich denn sonst diese Kutte angezogen? Sie sollte ihn nicht erkennen, nichts über ihn sagen können, sobald sie wieder in Freiheit war. Das Pianino … hatte er es deshalb auf Hochglanz poliert, damit sie ihn sehen konnte? Wollte er sie absichtlich ängstigen?
    Birgit wurde aus diesen Überlegungen gerissen, als sie von draußen ein metallenes Geräusch vernahm, das ihr sofort vertraut vorkam. Ja, eindeutig! Es klang nach der Müllabfuhr. Die hörte sich genauso an, in der Früh vor ihremWohnblock in der Bürglsteinstraße. Aber hier musste doch ein Feld in der Nähe sein, keine Siedlung! Denn das Geräusch fiel mit dem des Traktors zusammen, und es war nicht das Lastauto der Müllabfuhr wie daheim. Und auf einmal erinnerte sich Birgit daran, woher sie das Geräusch kannte; und was der Traktor damit zu tun hatte: Mit Anja war sie letztes Jahr an einem schönen Julitag in der Nähe des Wochenendhauses der Wegers am Wiesenrand unter Haselnusssträuchern gehockt. Sie waren vorher von Anjas Mama dafür gelobt worden, dass sie es geschafft hatten, allein mit dem Bus nach Seekirchen zu fahren und dann zum Haus zu wandern, da Anjas Mama bei Freundinnen gewesen war. Anjas Papa hatte zu arbeiten, kam später mit dem alten Ford nach, weil er darin etwas liefern wollte. Die beiden Freundinnen hatten Eis von Anjas Mutter bekommen und es genossen, während sie dabei zugeschaut hatten, wie das Heu auf dem Feld zu Siloballen verarbeitet wurde. Zuerst spuckte die Maschine hinter dem Traktor die Ballen aus, in ein feines Netz gewickelt, das man nur aus der Nähe überhaupt erkennen konnte – und später wurden diese Ballen dicht mit Folie umwickelt. Beim Auswerfen der fertigen Siloballen war dasselbe metallene Geräusch zu vernehmen gewesen wie jetzt. Und auch damals hatte sie dabei sofort an die Müllabfuhr gedacht!
    Und jetzt, da sie an jenen Tag am Anfang der großen Sommerferien erinnert wurde, an diesen unbeschwerten Tag, jetzt … oh Gott … jetzt fiel ihr plötzlich auch ein, bei welcher Gelegenheit sie diese Stimme schon gehört hatte, die damals nur ein bisschen anders geklungen hatte, anders, aber eindeutig dieselbe Art zu sprechen und diese Stimmlage … da waren sie einmal ganz in der Früh mit Herrn Weger zum Haus hinausgefahren, Birgit und Anja auf dem Rücksitz … und da … da musste es gewesen sein …und war ihr dabei nicht auch dieses Rasierwasser in die Nase gestiegen, als sie hinter Herrn Weger gesessen … mein Gott!
    Nun wirbelte ihr so vieles durch den Kopf, die Erinnerung an diesen Sommertag mit Anja vor allem … der Duft des Heus … und hier, diese Wiesen, wo … wo könnte sie nur festgehalten werden, wo … Sie waren nicht allzu lange unterwegs gewesen, kam ihr vor … aber sie hatte doch keine klare Vorstellung mehr, wie lange sie tatsächlich gefahren waren … wo sie doch so furchtbare Angst gehabt hatte … gefesselt … mit diesen in die Handgelenke schneidenden schmalen Plastikriemchen und dem Klebeband über dem Mund!
    Aber es würde jetzt nicht mehr lange dauern … der Bauer auf dem Traktor, mein Gott, vielleicht würde dieser Bauer schon bald kommen und nachschauen … sie hier herausholen … das entführte Mädchen … und hinter ihm … hinter ihm kommen auch schon Mutti und Papa … oder die Polizei? Ja, die Polizei zuerst! Und gleich dahinter Mutti und Papa! Sie schickte noch ein Stoßgebet zum Himmel und war auf einmal felsenfest überzeugt, dass ihre Gefangenschaft sehr bald zu Ende sein würde. Sehr, sehr bald schon wäre das alles vorbei! So schnell wie dieser furchtbare Alptraum mit den Schlangen, heute Nacht.
    Birgit stellte sich vor, wie sie Mutti und Papa

Weitere Kostenlose Bücher