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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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umarmen … und im Hintergrund die Siloballen liegen sehen würde. Danke, lieber Gott, dass das alles bald zu Ende ist. Danke, danke, danke!

Zweiter Satz
    Warum denn, Mama? Warum ist sie jetzt auch da, warum nur? Und wieder mit dieser Sonate. Warum ist sie mir hierher gefolgt? Weil sie das alles will, Mama, ich weiß, du siehst das auch so … sie will es einfach nicht anders. Mama, es ist … ich halte es einfach nicht mehr aus! Ich kann es nicht mehr ertragen, Mama. All die Jahre … es ist doch schon zurückgegangen, aber jetzt … jetzt ist es wieder da, so stark, Mama, so unerträglich, weil sie wieder da ist, Mama. Sie! Warum gibt sie denn nicht endlich Ruhe? Gibt Ruhe und hört auf, mich zu quälen, in meinem Kopf?

1
    »Was rennst denn davon, Fred?«
    Mit verschleimter Stimme rief Erwin seinem Kollegen hinterher, nachdem dieser, kaum dass sie es sich mit dem Tetrapack Rotwein gemütlich gemacht hatten, nach einem entsetzten heiseren Aufschrei auch schon wieder aufgestanden war und in schnellen Schlurfschritten das Weite gesucht hatte.
    Erna, die sich gerade zwei Bänke weiter mit ihren Taschen laut aufstöhnend niedergelassen hatte, um mit besorgtem Blick auf ihre aufgequollenen, in mausgrauen Stützstrümpfen steckenden Füße hinunterzusehen, die kaum noch in ihre löchrigen, mit vor Dreck starrendem Plüsch gefütterten Hauspantoffel passten, kicherte einmal in sich hinein, ohne sich weiter um die anderen zu kümmern. Sie war es gewohnt, sich stundenlang mit Selbstgesprächen zu unterhalten, und empfand die Gesellschaft ihrer Schicksalsgenossen eher als störend. Sobald es heiß zu werden begann, würde sie ohnehin vom Bahnhofsvorplatz auf eine der im Schatten der Kastanienbäume stehenden Bänke am rechten Salzachufer wechseln, um dort, immer auf ihre in den Taschen mitgeführten Habseligkeiten gestützt, ihr ausgedehntes Gespräch mit sich selbst fortzusetzen.
    Die Passanten, die an diesem Morgen aus dem Bahnhofsgebäude strömten oder darauf zueilten, sowie jene, die an den nahe gelegenen Bushaltestellen warteten, kümmertensich nicht um die Szene. Als Erwin endlich den Grund für Freds unbegreiflichen Aufbruch entdeckte, verschüttete er vor Schreck reichlich Wein aus der Packung auf seinen Pullover, von dem ohnehin schon bei der geringsten Bewegung ein strenges Gemisch unterschiedlicher Gerüche ausging. Im Gegensatz zu Fred erstarrte er bei dem Anblick. Er hatte schon allerlei gesehen in seinem Leben – den Freund etwa, der eines Nachts an seinem eigenen Erbrochenen erstickt war –, aber das, worauf an diesem frühen Morgen sein Blick gefallen war, das war eindeutig zu viel. Erwin Huber musste sich übergeben. Die gelbliche Flüssigkeit des Erbrochenen platschte in einem Sturzbach zwischen seinen Beinen auf den Asphalt und bespritzte sternförmig das noch glänzende schwarze Leder seiner Schuhe, die er erst am Vortag von der Caritas geholt hatte.
    »Glauben S’ vielleicht, i schneid jemand einen Finger ab?!«
    Fred Schüssels Gesicht war ernst, nachdem er bei der Aufnahme seiner Personalien ungefragt verkündet hatte, dass er mit dem gleichnamigen Exkanzler natürlich nicht verwandt sei. »Na, mit dem Oasch bin i nit verwandt! Glauben S’ vielleicht, dann würd’ i jetzt dasitzen, so, wie ich beinand bin? Aber kennt heut eh schon keiner mehr den Trottel.«
    Oberstleutnant Hagleitner hatte den drei für die Jahreszeit viel zu warm angezogenen Gestalten, die trotzdem aussahen, als würden sie frieren, vor der Befragung Kaffee, Limonade und Wurstsemmeln bringen lassen, saß ihnen aber ihrer Ausdünstungen wegen weit abgerückt gegenüber.
    »Warum sind Sie denn davongelaufen?«
    »Warum, warum! Weil i mi g’schreckt hab, natürlich! Was täten denn Sie, wenn vor Ihnen auf einmal ein Finger liegt?«
    Am Fundort war ein mit einem spitzen Gegenstand ins Holz der Bank geritztes Hakenkreuz zu erkennen gewesen, das allerdings schon etwas verwittert aussah und vermutlich in keinem Zusammenhang mit dem von einer Kinderhand stammenden rechten Zeigefinger stand, der unverzüglich in die Gerichtsmedizin der Christian-Doppler-Klinik gebracht worden war, um die DNA festzustellen und mit der des abgängigen Mädchens zu vergleichen.
    Der Leiter des Kriminalreferats der Stadt Salzburg besah sich noch einmal die frisch ausgedruckten Digitalfotos vom Fundort und schloss für sich einen rechtsradikalen Hintergrund genauso aus wie eine Verbindung mit den drei Personen, die er so schnell wie möglich wieder

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