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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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genau jene Positionen, in die er keinesfalls kommen sollte. Denn hier wie dort ginge es in erster Linie darum, die eigene maßlose Gier zu befriedigen. Und alle schienen sie in dieses Verhalten hineinzuwachsen, sobald nichts und niemand sie daran hinderte. Und so habe es sich ergeben, dass auf der einen Seite eine neue Form der Ausbeutung entstanden sei und dass man auf der anderen tatenlos zusehe.
    Seit Erich hautnah miterlebte, wie seine Nichte all ihrem Einsatz zum Trotz aus diesem so genannten Prekariat einfach nicht herauskam, und seit ihn von vielen seiner Freunde, Bekannten und Kollegen fast nur noch ähnlicheSchauergeschichten darüber erreichten, wie es ihren Kindern erging, hatte sich in ihm ein mächtiger Zorn aufgestaut, der ihn immer öfter daran denken ließ, sich doch noch aktiv in die Politik einzumischen. Die Wut hatte in ihm gebrodelt, als er vorhin von seinem klapprigen Fahrrad gestiegen war und es wie gewohnt unversperrt an die Hauswand gelehnt hatte.
    Zuerst dachte sie an … Regenwürmer … diese langen und dicken Regenwürmer, die ihr ihre Cousine beim Spielen bei den Großeltern oft vors Gesicht gehalten hatte, um das Stadtmädchen zu erschrecken … ach, Regenwürmer, hatte sie erleichtert festgestellt, da steckt wieder einmal die Rosi dahinter. Aber ich bin doch jetzt schon viel zu alt dafür, Rosi! Doch kurz danach blieb ihr vor Schreck der Mund offen stehen! Sie wollte schreien, brachte aber keinen Ton heraus. Lag nur starr da, weil ihr bewusst geworden war, dass die Würmer keine Würmer waren, sondern ein ganzes Knäuel … Schlangen! Und unmittelbar darauf spürte sie auch schon zwei von ihnen sich ihren Hals hinaufschlängeln … spürte – und sah! – die Schlangenkörper an ihrem Hals, bis sie daran dachte, dass sie ja den Mund offen hatte, weil sie doch schreien wollte … Ich bekomme den Mund nicht zu, hatte sie in allergrößter Panik gedacht … die Schlangen kriechen mir in den Mund … Sie spürte sie schon am Kinn, aber der Mund ließ sich nicht schließen … da hatte sie aus Leibeskräften nach ihrer Mutti zu schreien angefangen und sich gleichzeitig – angemacht. Im nächsten Augenblick war sie wach und spürte als Erstes die warme Nässe ihres Urins.
    Birgit schnaufte. Sie zitterte. Und trotzdem war sie benommen. Er hatte ihr also wieder Schlafmittel ins Getränk getan. Sie konnte sich nur noch erinnern, sich vordem Einschlafen überlegt zu haben, dass die Schlangen irgendwie ständig gleich zischten. Aber Schlangen zischten wahrscheinlich immer gleich.
    Als wäre sie jetzt erst richtig wach, fühlte sie sich überglücklich, dass alles nur ein Traum gewesen war. Auch wenn sie mit verbundenen Augen gefesselt auf dem Bett lag und sich angemacht hatte, die Schlangen waren nur ein Alptraum gewesen. Und ihre Gefangenschaft, die wäre irgendwann auch vorüber wie ein Alptraum!
    Da sie sich abgeschlagen fühlte und etwas Kopfweh hatte, wollte sie noch ein wenig zu schlafen versuchen, bis der Mann zurückkam. Denn er würde sie doch nicht einfach hier liegen lassen, mit den Schlangen? Mein Gott, was hatte er denn nur mit ihr vor … sie kam nicht dahinter, wie er das anstellen wollte, mit ihren Fingern, hier, auf diesem verstimmten Pianino. Darauf hörte sich doch alles grässlich an! So könne sie sich nur blamieren. Was soll’s, sie würde später noch oft beweisen, wie gut sie wirklich spielte.
    Als sie wieder den leichten Luftzug aus der Grube wahrnahm, hatte sie den Eindruck, als würde das Zischen ein ganz klein wenig näher kommen. Die kriechen doch nicht wirklich … krochen sie jetzt langsam herauf … wie in diesem furchtbaren Traum … nein … oder doch?
    Birgit hatte so große Angst vor den Tieren, dass sie sich entschloss, den Versuch zu wagen, die Augenbinde zumindest auf einer Seite zu verschieben. Sie würde sie doch wieder zurückschieben können? Und wenn nicht … der Mann wäre sowieso nicht zu erkennen, mit dieser Kapuze.
    Ganz vorsichtig begann sie nun die Binde auf der rechten Seite nach unten zu schieben, indem sie ihren Kopf über die Matratze rieb. Aber es bewegte sich nichts. Nach oben dürfe sie sie nicht verschieben, sagte sie sich, dennwie sollte sie ohne Zuhilfenahme ihrer Hände dann wieder hineinschlüpfen, wenn ihr die Binde über den Kopf rutschte?
    Birgit begann zu schwitzen, aber langsam schien sich die Augenbinde zu bewegen. Sie hörte auf, um nachzudenken, ob es vielleicht doch zu gefährlich wäre … was würde nur passieren, wenn es

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