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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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dieser grässlichen Partei gewechselt war, obwohl das eigentlich so nicht stimmte, weil ihn deren Obmann schon lange vorher angeworben hatte, auf seine Art, auf »Tuchfühlung« in der Disco, wie Hans oft gespöttelt hatte – hatte ihr das denn nichts ausgemacht? Sie hatte sich schnell damit zufrieden gegeben, dass die Konservativen, bei denen er vorher gewesen war, doch kaum anders dachten als seine jetzigen Parteifreunde … nur seien die halt viel feiger und trauten es sich nicht so offen auszusprechen. Aber ihre Gefühle, wo waren die hingekommen? Vor ein paar Jahren wäre sie noch verrückt geworden nach solchen Anrufen … und jetzt? Jetzt dachte sie nur an Anja.
    Aber er war doch früher nicht so gewesen, er hatte sich stark verändert. Seit man ihn bei der ENAG loswerden wollte, war er wie ausgewechselt. Ob er psychisch krank war? Taucht am späten Vormittag in der Wohnung auf, läuft wie verrückt herum – und verschwindet einfach wieder. Das Schlimmste aber war, dass sie ihm auf einmal vieles zutraute.
    Nein, so war er früher nicht gewesen. Auch wenn sie schon in den ersten Jahren ihrer Ehe gelegentlich von anderen Dinge über ihren Mann gehört hatte, die sie nicht glauben wollte, weil sie nichts mit dem Menschen zu tun zu haben schienen, den sie zu Hause erlebte. Der so liebevoll …so vernarrt in seine Tochter war. Und zuvorkommend zu seiner Frau. Und wenn sie ihn auf solche Gerüchte angesprochen hatte, war es ihm ein Leichtes gewesen, sie als Gehässigkeiten von parteipolitischen Gegnern oder Neidern abzutun. Immerhin hatte er ungemein profitiert, von seinem Parteiwechsel. Und Petra hatte es damals doch auch so gesehen: Das war seine große Chance. Diese Partei wuchs rasant und hatte keine Leute. Hans war doch nicht beigetreten, um deren Politik durchzusetzen! Die hatten verzweifelt nach gut aussehenden jungen Männern gesucht, womöglich noch mit ein bisschen Grips. Hans hatte zwar als Autoverkäufer gearbeitet, aber die Handelsakademie nur aus jugendlichem Leichtsinn ein Jahr vor der Matura abgebrochen und nicht etwa, weil er die Schule nicht geschafft hätte. Er war ausgerissen aus einem autoritären Elternhaus, von heute auf morgen mit seinen gesamten Ersparnissen abgehauen, weil er die unverbesserlichen Überzeugungen seines Vaters nicht mehr ertragen hatte. Und nach seiner Rückkehr von der zweijährigen Reise, die ihn bis nach Nevada geführt hatte, fand er in dem Autohaus Arbeit.
    Sollte er sie in allem getäuscht haben? Warum geht er aus Opportunismus gerade zu der Partei, die dieselben widerlichen Ansichten vertritt wie sein Vater? Zufall? Bei den Konservativen hätte er diesen Job nie bekommen. Aber war es nicht auch so gewesen, dass er im Laufe der Zeit die Parolen, die er in Nachahmung seines großen Führers von sich gab, selbst zu glauben anfing? Weil das doch das Einfachste war.
    Aber sie drei, Petra, Hans und Anja, waren doch eine glückliche Familie gewesen? Und Hans hatte Anja jeden Wunsch erfüllt. Er war doch auch Birgit gegenüber immer großzügig gewesen. Macht so etwas ein schlechterMensch? Aber was war nur mit ihrer Liebe passiert? Aufgebraucht? Von dem Alltag mit all den Niederlagen ihres Mannes – zerrieben?
    Wie hatte sie vor einem dreiviertel Jahr noch mit ihm gelitten, als er eines Abends betrunken heimgekommen, in einen Weinkrampf ausgebrochen war und geschluchzt hatte, dass er die Rückkehr in ein Autoverkäuferleben niemals verkraften würde. Nicht nur finanziell, vor allem wegen der gesellschaftlichen Demütigung. Er war nur dank seines Parteibuchs so hoch aufgestiegen, und alle, Parteifeinde wie Parteifreunde, warteten darauf, dass er so tief wie irgend möglich falle. Petra hatte ihn damit zu trösten versucht, dass sie sich doch auch wieder um einen Posten umsehen könne, wo Anja jetzt schon alt genug sei. Und den Verlust des Zweitautos oder des Wochenendhauses würden sie doch auch verkraften. Und wenn es sein müsse, zögen sie eben in eine kleinere Wohnung. »Aber Anja …«, hatte er geweint, »wir können ihr das doch nicht antun. Sie braucht den großen Flügel daheim … muss spielen, üben können. Und die anderen Kinder –«
    »Ach geh, Hans«, war sie ihm ins Wort gefallen, »die Birgit ist ihre beste Freundin und wird es bestimmt auch dann noch bleiben. Schwimmen die Abergers vielleicht im Geld?«
    »Aber die anderen, Petra, sie alle warten nur darauf, dass mir genau das passiert, verstehst du? Seit Jahren warten die schon darauf, dass ich so

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