Mordsonate
abgelenkt, und Erich sah zu, dass er hinauskam.
Der Chefinspektor bestellte sich an der Luke eines Kebablokals eine Pizzaschnitte und Mineralwasser. Er aß und trank und – dachte nur an Vera Stelzmann. Danach radelte er ins LKA zurück, wo Koller ihn schon mit gesenktem Kopf und der Mitteilung erwartete, dass seine Erkundigungen nicht sehr ergiebig ausgefallen seien. »Hans Weger ist heute nicht zum Dienst erschienen.« Er habe erfahren, dass Herr Weger seinen Vorstandsdirektorsposten wohl sehr bald los sein werde, da seine Partei nach drastischen Wahlverlusten das Anrecht darauf verloren habe. Der Mann wolle sich aber nicht so ohne weiteres damit abfinden. Er habe angekündigt, sich zur Wehr zu setzen. Nicht zuletzt auch mit Hilfe des Erfolgs seiner Tochter, die bald an dem internationalen Talentewettbewerb teilnehmen werde, da ja das andere Mädchen verschwunden sei. »Herr Weger erzählt herum, dass das abgängige Kind sicher nicht rechtzeitig zurück sein wird.« Koller schloss sein Notizbuch und bat dann etwas kleinlaut darum, für den restlichen Nachmittag Zeitausgleich nehmen zu dürfen. Obwohl Erich ihn doch sofort wieder losschicken wollte, damit er Wegers familiäres Umfeld näher in Augenschein nähme, nickte er. Koller war verblüfft. Als er ein wenig ins Stottern geriet, war Erich klar, dass er nicht mit seiner Zustimmung gerechnet hatte. »Danke, Chef. Meine Mutter … sie … sie muss nämlich ins Spital.«
»Das tut mir leid. Alles Gute!«
»Danke.«
Gerlinde Brunner war noch aufgewühlt und etwas entrückt nach dem Interview, das sie der Radiojournalistin gerade gegeben hatte. Es war das erste Mal in ihrem Leben, dass ihr ein Mikrofon vors Gesicht gehalten wurde. Und so zuckte sie zusammen, als er plötzlich schwer atmend so dicht vor ihr stand, als würde er ihr den Weg absperren wollen.
»Was … was machst denn du da?«
Hatte er ihr aufgelauert? Sie verfolgt? Oder war es reiner Zufall? Wie hätte er denn wissen sollen, dass sie heute nach Dienstschluss das herrliche Wetter noch genießen und sich endlich den weinenden Mozart ansehen wollte, über den nun schon tagelang alle redeten – und dessen Lacktränen wohl in nächster Zeit entfernt werden würden, obwohl sie das Denkmal zu einer noch viel größeren Attraktion gemacht hatten.
Wie Gerlinde aus den Zeitungen und aus dem Fernsehen wusste, wollten sich auch jetzt, am späten Nachmittag, noch jede Menge Leute unbedingt mit dem weinenden Mozart fotografieren lassen. Als sie zum Mozartplatz gekommen war, hatte schon eine ansehnliche Menschentraube darauf gewartet, endlich vor der Sehenswürdigkeit zu posieren. Überall streckten sich Hände mit Mobiltelefonen in die Höhe, und viele dieser Aufnahmen wurden sogleich in alle Welt versandt.
Gerlinde hatte lächeln müssen, als sie daran dachte, ob nicht womöglich überhaupt der Tourismusverband auf diese geniale Idee gekommen war. Oder steckten die Innenstadtkaufleute mit ihrem Altstadtmarketing dahinter? Mit Sicherheit würden bald Ansichtskarten mit dem weinenden Mozart der Renner an den Souvenirständen sein.In einem Kommentar der SALZBURGER NACHRICHTEN hatte sie heute gelesen: »Die Stadt Salzburg hat es noch immer verstanden, aus denen Kapital zu schlagen, die sie mit Arschtritten aus der Stadt befördert hat.«
Kaum hatte Gerlinde bemerkt, dass inmitten der Menschenansammlung in unmittelbarer Nähe des Denkmals ein ZDF-Kamerateam filmte, hatte auch sie schon ein Mikrofon mit einem grell-grünen pyramidenförmigen Schwamm vor ihrem Gesicht.
»Barbara Braun von RADIOakkktiv. Darf ich Sie fragen, was Sie von dem Ganzen hier halten?«
»Na ja … interessant ist das schon«, hatte Gerlinde zuerst etwas vorsichtig gemeint.
»Wer, denken Sie, steckt dahinter?«
»Nun … bei uns im Büro … viele glauben, dass die Tränen das Werk eines Künstlers sind. Es steckt doch so viel Symbolkraft darin! Was für eine Aussage, nicht? Über Nacht beginnt Mozart zu weinen. Grund dafür, ich meine, um in Tränen auszubrechen, hätte er doch heute genug, nicht wahr?«
»Danke, wunderbar!«
»Ah … Frau … wann … wann kann man denn das hören?«
»In unserer Morgensendung. Morgen von fünf bis neun auf RADIOakkktiv. Jede Stunde wird der Beitrag wiederholt.«
»Danke. Das werde ich nicht versäumen.«
»Das freut mich. Auch Ihnen nochmals vielen Dank und noch einen schönen Tag!«
Kaum dass die kleine junge Frau in der Menschenmenge verschwunden war, um ihre Arbeit fortzusetzen, fragte
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