Mordsonate
um ehrlich zu sein, viel wichtiger als dem Ehepaar Aberger. Aber dass er Birgit für diese Zeit verschwinden lässt, damit Anja … nein, ich weiß nicht …«
»Die Motive, Frau Stelzmann, sind meist sehr simpel – Liebe, Hass, materielle Vorteile. Ehrgeiz gehört auch dazu. Von Birgits Verschwinden hat Herr Weger übrigens durch den Anruf von Herrn Aberger erfahren.«
»Ja, das weiß ich jetzt auch. Mir ist meine Meldung schon peinlich, um ehrlich zu sein. Immerhin ist die Entdeckung von Birgits Talent indirekt Herrn Weger zu verdanken. Wenn der seine Anja nicht zum Klavierunterricht geschickt hätte und das Mädchen ihre Freundin dabei haben … Sie kennen die Geschichte wahrscheinlich schon.«
»Ja«, sagte Erich, während sich ihm die Brust zusammenzog bei dem Gedanken, dass die Professorin vom ganzenDrama, von der schrecklichen Dimension des Verbrechens erst erfahren müsste.
Als habe sie etwas von seinen Gedanken erahnt, fragte ihn Frau Stelzmann jetzt mit belegter Stimme: »Wie schätzen Sie denn die Chancen ein, dass Birgit noch rechtzeitig vor Wettbewerbsbeginn in gut zwei Wochen zurückkommt?«
»Frau Stelzmann, das kann leider oft länger dauern – und dabei denke ich nicht an die spektakulären Entführungsfälle in der letzten Zeit …«
Darauf bekannte die Frau betrübt: »Ja … ich habe mit Anjas Vorbereitung schon angefangen. Ihr Vater hat sie dafür aus dem regulären Schulunterricht genommen.«
»Das ist sicher richtig und gut«, pflichtete Erich ihr sofort bei.
Die Frau nickte. »Sie ist begabt, keine Frage, fleißig … aber so ein Ausnahmetalent wie Birgit … Ich würde sowieso meinen, dass Anja später eher in meine Fußstapfen treten wird … ja, ich glaube, sie könnte einmal eine sehr gute Klavierlehrerin abgeben.« Obwohl am Anfang natürlich alle eine Solistenkarriere vor Augen hätten. Doch nur ganz, ganz wenigen glücke das dann tatsächlich. »Auch ich habe erst herausfinden müssen, wo meine wirklichen Stärken liegen. Und jetzt bin ich so glücklich mit meinem Beruf!« Frau Stelzmann warf einen Blick auf ihre Uhr. »Ich will nicht unhöflich sein … doch bei mir geht es bald wieder weiter, und ich müsste noch etwas vorbereiten.«
»Ja, natürlich«, sagte Erich schnell und erhob sich. Er hatte in dem klimatisierten Raum mit der großen Glasfront sein dünnes Lederblouson nicht ausgezogen gehabt und trotzdem aus Gewohnheit zuerst hinter sich gegriffen, um es von der Stuhllehne zu nehmen. »Nachdem ich Ihnen jetzt die Mittagspause gestohlen habe –«
»Gestohlen, Herr Chefinspektor?«
Sie lachten gleichzeitig und Erich sagte: »Doch, ich bekenne mich schuldig. Bitte erlauben Sie mir im außergerichtlichen Tatausgleich die Wiedergutmachung! Was halten Sie von einem gemütlichen Abendessen?«
»Da sage ich nicht Nein. Ich bin nämlich keine begeisterte Köchin, müssen Sie wissen.«
»Abgemacht! Ich freue mich darauf und melde mich bald«, sagte Erich und überreichte der Frau seine Visitenkarte. »Ich bin jederzeit erreichbar, wenn Ihnen etwas einfällt – nicht nur zu unserem Fall«, sagte er schmunzelnd.
Danach schüttelte er deutlich länger als üblich die Hand der Frau, die ihn festzuhalten schien.
Er war schon an der Tür, blieb stehen und drehte sich um. Freilich wurde ihm sofort bewusst, dass es kaum einen Kriminalfilm gab, in dem der Ermittler nicht kurz vor dem Gehen noch eine entscheidende Frage stellte. »Ach ja, was mich noch interessieren würde – passieren hier eigentlich auch irgendwelche Kindereien, im Mozarteum … ich meine, dass jemand, was weiß ich, was wir als Kinder halt hin und wieder so getan haben, Juckpulver streut oder solchen Unfug macht?«
Die Professorin schien gedanklich schon bei ihrer nächsten Stunde zu sein und sah Erich unkonzentriert an. »Nein, weiß ich hier eigentlich nichts … es sind alle ziemlich gefordert, wissen Sie, es wird sehr viel verlangt bei uns.«
»Das kann ich mir gut vorstellen.« Verschmitzt lächelnd sagte er: »In meinem früheren Leben war ich nämlich auch Musiker.« Er hob sofort beschwichtigend seine Hände: »Hobbymusiker. Nicht E, sondern U. Schlagzeuger in einer Rockband.«
Die Professorin nickte anerkennend. »Spielen Sie noch?«
»Nein, inzwischen habe ich mich ganz aufs Zuhören verlegt.«
»Das wird Ihnen Ihre Familie danken.«
»Oh, ich wäre noch zu haben«, erwiderte Erich verdächtig schnell und bemerkte sofort, dass er errötete. Zum Glück wurde Frau Stelzmann von ihrem Handy
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