Mordsonate
jedem Stiegenhaus zu finden sind. Ohne Vergleichsspuren bringen uns die gar nichts.«
Der Chefinspektor bedankte sich bei dem Kollegen, der augenscheinlich noch mit dem Schlaf kämpfte, und stieg über die Schwelle von Frau Stelzmanns Wohnung. Im Vorraum blieb er stehen und klopfte zweimal fest gegen die offene Eingangstür.
»Kommen Sie ruhig herein«, rief die Klavierlehrerin, die mit Handy, Kalender und einer Tasse Kaffee am Küchentisch saß. »Ich musste versuchen, die ersten beiden Stunden irgendwie zu verschieben. Das ist jetzt gar nicht so einfach, weil ich ja wegen Anja momentan keinen Spielraum habe.«
Erich nickte und setzte sich zu ihr an den Tisch.
»Auch Kaffee?« fragte sie ihn.
»Ja, sehr gerne, danke.«
Nachdem die Frau auch die Mitarbeiter der Spurensicherung aus einer großen Kanne versorgt hatte, kam sie zu Erich zurück.
»Das ist nun wohl kein Zufall, dass –«
»Nein, ich fürchte nicht.«
»Und … er … er stammt von Birgit?«
»Ich gehe davon aus. Aber wir müssen die DNA abgleichen …«
Frau Stelzmann umfasste jetzt mit beiden Händen ihre Tasse und blickte versonnen in den Kaffee. Als sie nach einer Weile zu Erich sah, hatten sich ihre Augen mit Tränen gefüllt.
»Wer tut so etwas? Und warum? Warum nur?«
»Leider haben wir noch überhaupt keine Ahnung. Es scheint nur so zu sein, dass vielleicht doch der Wettbewerb –«
»Anjas Vater? Nein, dass er zu so etwas fähig … nein, das kann ich einfach nicht glauben.«
Ein Mitarbeiter der Spurensicherung trat jetzt in seinem Overall und den folienverpackten Schuhen in die Küche und brachte die leeren Tassen zurück.
»Es wäre noch welcher da, wenn Sie …«, sagte Frau Stelzmann.
»Vielen Dank, Frau Professor. Der hat uns schon sehr gut getan. Danke.«
Unmittelbar nachdem ihre Nachbarin bei ihr geläutet und sie auf den grausigen Fund aufmerksam gemacht hatte, hatte Vera bei Erich angerufen. Der hatte sich von Harlander gleich von der Mohrstraße abholen und zu Professor Stelzmann in die Sparkassenstraße fahren lassen,nachdem er die Spurensicherung dorthin beordert hatte.
Nun, wo sie ein wenig zur Ruhe zu kommen begann, zeigte der Vorfall bei der Professorin Wirkung. Schluchzend sagte sie: »Ich wüsste nicht, was ich damit zu tun … nur weil Birgit meine beste Schülerin ist? Weil es ein unglaubliches Glück ist, für eine Lehrerin, so eine Schülerin zu haben? Sollte mir das jemand neiden? Aber tut man dann so etwas?«
Erich griff nach der Hand der Frau und versuchte sie zu beruhigen. »Wir haben überhaupt keine Anhaltspunkte, Frau Stelzmann. Aber der Täter … es sieht danach aus, dass er oder sie mit uns kommunizieren will.« Er versuchte ihr schonend zu vermitteln, dass damit schon der zweite Finger gefunden wurde.
»Heißt das auch, dass Birgit … ist sie … tot?«
Erich presste seine Lippen aufeinander und nickte.
Vera Stelzmann sah ihn entsetzt an. Dann wurde sie von einem Weinkrampf geschüttelt. Der Chefinspektor setzte sich neben sie auf die Küchenbank und legte seinen Arm um ihre Schulter, und die Frau drängte sich gegen ihn. Dann vergrub sie ihr Gesicht an seiner Brust und hielt ihre rechte Hand so zur Faust geballt, als würde sie damit gegen seinen Oberkörper trommeln wollen, ließ sie jedoch wie ein Säugling auf der Höhe ihres Kinns reglos auf Erich liegen.
»Stelzmann, Vera, Prof. Sie steht im Telefonbuch, Chef«, sagte Harlander. »Kein Problem, ihre Privatadresse herauszufinden.«
Erich nickte und rutschte ein Stück von seinem Schreibtisch zurück. Er überlegte, ob Frau Stelzmann persönlich in Gefahr sein könnte. Ob dieser buchstäbliche Fingerzeigauf ihrer Fußmatte ein weiteres Verbrechen ankündigte. Er war sich bewusst, dass er an die Professorin nicht wie an jemanden dachte, mit dem ihn ein beruflicher Zufall in Kontakt gebracht hatte, bis er bald wieder aus seiner Wahrnehmung entschwinden würde. Nein, er hatte eindeutig … Angst um diese Frau. In ihrer Wohnung hatte er es verabsäumt, sie danach zu fragen, ob in letzter Zeit etwas Besonderes vorgefallen sei, das im Zusammenhang mit der Entführung von Birgit Aberger stehen könnte. Aber das hätte sie ihm ohnehin gesagt. Oder sie würde es ihn wissen lassen, sobald sie wieder klarer denken konnte. Überdies stand noch ihr gemeinsames Abendessen bevor.
Koller schien Erich heute zugänglicher zu sein. Ohne zu murren machte er sich sofort auf den Weg, um seine Erkundigungen über Hans Weger fortzusetzen. Und Erich ärgerte
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