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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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kommt mir so vor, als würde mir das über den Kopf wachsen.«
    Petra wollte ihre Nachttischlampe einschalten, aber ihr Mann sagte, sie solle kein Licht machen. Er wolle versuchen, vielleicht doch noch ein, zwei Stunden zu schlafen.
    Petra war sehr müde, aber es gingen ihr zu viele Gedanken durch den Kopf, um sofort weiterzuschlafen. Und darüber ärgerte sie sich, da sie ohnehin schon bald aufstehen musste, um Anja das Frühstück zu richten. Obwohl sie heute erst um zehn Uhr ins Mozarteum musste, hatte sie davor zu Hause noch zu üben. Insgeheim hoffte Petra, dass Birgit bald wieder auftauchen würde, jedenfalls noch rechtzeitig vor dem Wettbewerb. Denn an sie kam Anja trotz all ihres Fleißes nicht heran, das hatte die Professorin doch früher schon durchblicken lassen. Und wozu dann letztlich diese enorme Belastung? Warum versteifte Hans sich nur so darauf? Petra hatte nie diesen Ehrgeiz verspürt, weder in ihrem eigenen Leben noch bei Anja. Sie war mit ihrem Leben immer zufrieden gewesen, auch vor dem Aufstieg ihres Mannes.
    Sie wünschte sich Gesundheit für ihre Familie – und dass sie nie ganz ohne Einkommen dastünden, das war doch schon so viel. Welchen Sinn sollte es haben, ihr Kind jetzt so zu quälen?
    »Bärli! Was hast du denn jetzt schon wieder?«
    Die Frau fauchte ihren Dackel halblaut an und riss die Leine mit einem heftigen Ruck zurück, der das Tier aufwinseln ließ. Sie war um diese Zeit wie immer unfrisiert und nur mit dem Nachthemd in ihren Staubmantel geschlüpft, um den Hund vor das Haus zu lassen. Sie war ungehalten, sie hatte nicht gut geschlafen in dieser Nacht, und das Licht im Stiegenhaus zuckte immer noch. Wann würde der Hausmeister die Neonröhre endlich austauschen – zwei Mal war sie deswegen schon bei ihm gewesen. Jetzt bäumte sich das Tier mit einem Wimmern auf und drängte auf den Hinterbeinen mit aller Kraft zu der Wohnungstür von Frau Professor Stelzmann. Im letzten Moment sah auch die Frau, was es so sehr dorthin streben ließ. Sie unterdrückte einen Aufschrei und schaffte es gerade noch, ihren Hund von der Fußmatte fortzuziehen, auf die sich seine Schnauze bereits zu senken begonnen hatte, weil ihm sein Frauerl in ihrem Schreck mehr Leine gelassen hatte.
    Eine gute halbe Stunde vor der eingestellten Weckzeit war Gerlinde Brunner von selbst aufgewacht. Sie ging ins Wohnzimmer und schaltete das Radio ein; die Frequenz von RADIOakkktiv hatte sie gestern schon programmiert. Da Musik lief, ging die Frau ins Badezimmer. Als sie zurückkam, hörte sie nach dem Rest eines Oldys: »Bernd ›Speedy‹ Lux, Ihr rasanter Speedy, Ihr beliebter BSL, Ihr Weltmeister des schnellen Spaßes begleitet Sie wie immervon fünf bis neun auf RADIOakkktiv. Ach ja, er weint noch immer. Na ja, wenn so einer einmal zu weinen anfängt, dann hört er nicht gleich wieder auf, was? Ich habe für Sie unsere BB ins Getümmel geschickt. Sie wissen ja, Körperkontakt ist ganz nach ihrem Geschmack. Aber das ist eine andere Geschichte. Bleiben Sie jedenfalls dran, es lohnt sich.«
    Gerlinde schlüpfte auf dem Sofa unter eine leichte Decke und ließ mit geschlossenen Augen die Werbespots über sich ergehen, als sie von einer ihr unbekannten Erregung erfasst wurde bei dem Gedanken, nun gleich die eigene Stimme aus dem Radio zu hören. Das erste Mal in ihrem Leben im Radio!
    Nachdem sie sich lange schlaflos im Bett gewälzt hatte, war sie gestern mit der Vorstellung eingeschlafen, dass Hans ihr Geheimnis preisgeben würde. Als sie heute aufgewacht war, hatte sie zuerst nur an die Radiosendung gedacht, doch jetzt kehrte dieser Druck im Magen zurück, wenn sie daran dachte, womöglich schon bald ihren Job zu verlieren und womöglich vor Gericht zu müssen. Wie gestern begann ihr dieses Gefühl das Gemüt zu verdüstern; es beeinträchtigte sogar die Vorfreude auf ihren ersten Radioauftritt.
    Nach der Werbung lief noch ein Musiktitel, und danach war wieder dieser BSL zu hören, der einen Uraltschlager, der Gerlinde allerdings nicht unbekannt war, anzustimmen begann: »Es geht eine Träne auf Reisen, sie geht auf die Reise – zum Mozartplatz im wunderschönen Salzburg! Ja, wir haben schon viel darüber berichtet, aber er hört einfach nicht auf zu weinen, unser Wolferl. Jetzt fragen sich alle: Ist es vielleicht doch Kunst? Nun, mich dürfen S’ nicht fragen, ich versteh’ ja nichts von Kunst. Egal, aber was sagt man in der Stadt dazu?«
    Gerlindes Puls beschleunigte sich. Während sie angespannt darauf

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