Mordsonate
und dem gesamten Vorstand! – Ohne aufdringlich sein zu wollen: Belieben der Herr Vorstandsdirektor gelegentlich wieder einmal in seinem Büro vorbeizuschauen?«
»Er ist ziemlich … die Geschichte mit dem Kind nimmt ihn sehr mit. Jetzt, wo seine Tochter offenbar einspringen soll, bei dem Wettbewerb, wenn das andere Mädchen nicht rechtzeitig wieder auftaucht. Aber ich glaube … bestimmt fängt er sich bald wieder. Nur im Moment ist er halt doch ziemlich –«
Trotz seiner guten Stimmung markierte der Chef an diesem Punkt sein begrenztes Interesse für Gerlindes vorsichtige Versuche, für Hans Weger Partei zu ergreifen, und fiel ihr ins Wort: »Wie auch immer, er soll sich nur nicht zu sicher fühlen. Er ist nämlich gerade dabei, sich mit Leuten anzulegen, wo er nur den Kürzeren ziehen kann. Die pflegen in solchen Dingen nicht zu spaßen, wissen Sie. Die lassen sich auf keinen Fall … erpressen.«
Gerlinde zuckte bei dem letzten Wort etwas zusammen, obwohl sie den Eindruck gehabt hatte, der Chef habe das mehr zu sich selbst als zu ihr gesagt. Der DI nickte und machte sich auf den Weg in sein Büro.
Gerlinde verspürte ein flaues Gefühl im Magen, da sie sofort zu wissen glaubte, dass es bei der Erpressung nur um den Grund für ihren Wechsel in die ENAG gehen konnte, so wie Hans es gestern angedeutet hatte. Er wusste also tatsächlich mehr, als sie bislang angenommen hatte.
Der Chef blieb in seiner Bürotür stehen und drehte sich um. »Nun, warten wir einmal ab, Gerlinde. Es wird sich bald was tun. Soll er halt jetzt noch … von mir aus. Hier im Haus fehlt er sowieso am wenigsten.«
Gerlinde nickte, da ihr nichts Unverfängliches einfiel, das sie darauf hätte sagen können. Sie hatte auch diesem Gruppeninspektor Koller, der sie vorhin über Hans ausgefragt hatte, zu verstehen gegeben, dass Herr Weger momentan von den Vorfällen rund um die Freundin seiner Tochter – und um seine Tochter müsse er sich jetzt um so mehr kümmern – so mitgenommen sei und sich deshalb hier in der ENAG gewissermaßen eine kleine … Auszeit genommen habe. So sehe sie das wenigstens.
»Damit, dass auch seine Sekretärin krank gemeldet ist, wie ich erfahren habe, hat das alles aber nichts zu tun?« hatte der Beamte plötzlich gefragt. Und Gerlinde hatte trotz ihrer Nervosität ein kurzes Auflachen nicht unterdrücken können. »Sie meinen – die beiden?«
»Ja, warum nicht?«
»Weil … Frau Hebenstreit kurz vor der Pensionierung steht. Sie ist wegen einer Halluxoperation schon seit letzter Woche nicht da. Er hat jetzt nur eine Schreibkraft, einen Lehrling im dritten Lehrjahr, bei Bedarf zur Aushilfe, die aber von Frau Hebenstreit schon eingeschult wurde, da sie als ihre Nachfolgerin vorgesehen ist. Und die ihre Sache sehr gut macht!« Fast hätte sie hinzugefügt: beruflich. Weil sie plötzlich an etwas gedacht hatte, das ihr noch nie in den Sinn gekommen war … Lange hatte sie darüber nicht nachdenken können, da sie befürchtete, damit den Polizisten womöglich darauf gebracht zu haben, sich auch nach ihrem Werdegang zu erkundigen. Sie hätte sofort auf ihre mit Auszeichnung bestandene HAK-Matura verwiesen und die Stelle als Schreibkraft in der Parteizentraleals reine Übergangslösung erscheinen lassen, da sie dafür ja reichlich überqualifiziert gewesen war. (In Wahrheit war sie sehr froh gewesen, dass ein ehemaliger Schulfreund ihrer Mutter seine Parteiverbindungen hatte spielen lassen, wo es doch gerade so schwer gewesen war, Arbeit zu finden.) Aber diese Frage war ihr nicht gestellt worden. Der Polizeibeamte interessierte sich nur für Hans Weger und schien von dem Grund für ihren Wechsel in die ENAG nicht die geringste Ahnung zu haben.
Wie denn auch? Das war doch perfekt unter den Teppich gekehrt worden. Alles, was damit zusammenhing, dass so ein hoher Politiker im Vollrausch einen Menschen zu Tode fährt … und nie war dieser arrogante Lügner dafür zur Rechenschaft gezogen worden – auch weil sie, Gerlinde Brunner, lieber ihre Chance ergriffen hatte. Aber man hatte ihr doch gleichzeitig mit dem einmaligen Angebot klar gemacht: Wenn sie zur Polizei ginge mit ihrer Beobachtung und dem Landtagspräsidenten damit schaden würde, fände sie in Salzburg keine Stelle mehr. Auch nicht in der Privatwirtschaft. Man habe genügend Verbindungen. Und mangelnde Loyalität wiege überall schwer. Um ehrlich zu sein: Der Drohungen hätte es nicht mehr bedurft, die Verlockung, als Chefsekretärin endlich auch zeigen zu
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