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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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ihrer Wohnung entscheiden würden. Was war nur los mit Dr. Erich Laber? Natürlich wusste Erich ganz genau, was mit ihm los war. Und so, wie Vera ihm begegnete, wusste sie es auch.
    Erich öffnete eine der Türen und zeigte Vera ein Zimmer, in dem sich nichts weiter befand als ein enormer Stapel von Umzugskartons. »Die Bibliothek«, erklärte er der lachenden Frau. »Die muss ich auch erst wieder aufbauen.« Er wusste, dass das große Bedauern, mit dem die Linzer Buchhändler und Antiquariate auf seine bevorstehende Übersiedlung nach Salzburg reagiert hatten, nichtgeheuchelt war – sie und die Plattenhändler verloren mit ihm einen kauffreudigen Kunden.
    Als sie in der offenen Küche angekommen waren, die ins Wohnzimmer überging und von wo man auf den Balkon kam, holte Vera die mitgebrachte Weinflasche aus ihrem Rucksack und stellte sie auf die Anrichte. Sie wehrte Erichs Beteuerung ab, dass das doch nicht nötig gewesen wäre. Danach trat sie auf das Sonnendeck hinaus. »Oh Gott, was hast du denn da für eine herrliche … aber nein doch, dieser Aufwand … Erich, das wäre nicht nötig gewesen, und nicht meine armselige Weinflasche … eine Tasse Kaffee und ein bisschen Gebäck hätten es doch getan, Erich!«
    Sie wandte sich vom Tisch ab und trat an die Brüstung, um sich die Gegend anzusehen und dann, beim Gehen immer eine Hand auf dem Geländer, langsam die Rundung entlang zu wandern und den Ausblick auf die im Sonnenlicht blass strahlende Festung Hohensalzburg zu genießen. »Du wohnst ja wirklich paradiesisch hier.«
    »Eine Art Ausgleich zur täglichen Berufshölle, gewissermaßen. Aber du darfst nicht vergessen«, entgegnete er lachend, »der Kommunalfriedhof ist auch nicht weit.«
    Sie streifte ihn mit einem Blick, in den sich kurz so etwas wie schattiger Ernst zu mischen schien. Sie standen eine Weile schweigend nebeneinander, bevor Erich wiederholte, was er der Frau schon beim gemeinsamen Abendessen anvertraut hatte, dass nämlich sein Kaffeeautomat das einzige Haushaltsgerät sei, das er wirklich zu handhaben wisse. »Was das angeht, kann ich selbst mit ausgefallenen Kreationen dienen.«
    Vera teilte Erichs Gewohnheit, zuerst zwei, drei Tassen starken Espresso zu trinken. Danach stießen sie mit Champagner an und eröffneten das Buffet zur Feier ihrer Begegnung.
    »Das ist schon eine Ausnahme für mich, dermaßen verwöhnt zu werden«, sagte die Frau.
    Sein Vormieter, erzählte er, sei nach Australien ausgewandert und habe ihm eine Flasche australischen Rotwein dagelassen. »Ich habe ihn rechtzeitig geöffnet, und wenn er dir schmeckt, wird sofort nachbestellt«, sagte Erich so überschwänglich, dass er befürchtete, Vera könnte sich überrumpelt fühlen. Er wusste von ihr doch kaum mehr, als dass eine langjährige Beziehung in die Brüche gegangen war. »Ich wollte weg. Weg aus München – und dann das hier zu finden. So ein Glücksfall, und jetzt sogar in jeder Beziehung«, hatte sie gesagt und keinen Zweifel daran aufkommen lassen, wie sie das meinte.
    Plötzlich hob Vera Stelzmann, die gerade noch herzhaft gegessen hatte, ihren Blick, und ihre braunen Augen füllten sich mit Tränen. Sie schluckte den Bissen hinunter und deutete mit dem Kopf zur offen stehenden Balkontür. »Das wäre sie gewesen. Damit hätte Birgit in Vilnius … Mozarts c-Moll-Sonate, Köchel 457.«
    »Soll ich eine … eine andere CD?«
    »Nein, nein«, wehrte sie leise ab. »Lass nur. Das ist eine schöne Interpretation. Aber ich –« Die Frau griff nach einem Taschentuch und wischte sich die Augen aus.
    Erich nahm verlegen die leeren Tassen, um frischen Kaffee zu holen.
    Als er zurückkam, aßen und tranken sie eine Weile schweigend, bis Vera ihn fragte: »Und du … können solche … kann das für dich jemals … Routine werden?«
    Erich lehnte sich etwas zurück. »Um nicht verrückt zu werden, muss man schon versuchen, professionell damit umzugehen … etwas Distanz schaffen … aber Routine ist unmöglich. Allein das Drumherum – wie gestern wieder, als wir Birgits Eltern … so etwas ist schwer zu ertragen,erst recht, wenn es Menschen trifft, die doch keine großartigen Erwartungen an ihr Leben haben. Und wenn die dann so brutal getroffen werden.«
    Vera nickte ernst und nahm einen Schluck Espresso.
    »Mein Beruf lehrt mich leider tagtäglich, dass alles nur Zufall ist. Und der größte Fehler, vom Leben so etwas wie Gerechtigkeit zu erwarten. Menschen werden schuldlos auf das Härteste bestraft … und wirklich

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