Mordsonate
Aberger sah mit starrem Blick in Erichs Richtung und presste die Lippen aufeinander.
»Die Frau Magistra Emminger«, sagte der Chefinspektor und vergewisserte sich mit einem Blick, dass sie damit einverstanden war, »wird Ihnen noch beistehen. Auchmich können Sie jederzeit anrufen.« Er griff nach seiner Visitenkarte und legte sie auf den Couchtisch.
Erich trat mit dem Handy auf den Balkon seiner Wohnung; es waren Gewitterwolken aufgezogen, die sich nachts entladen würden. Er stützte sich aufs Geländer und sah – auf die weißen Wellenkämme, die die Bewegung des Bootes in der Ägäis erzeugte, da es Fahrt aufnahm. Stand sie neben ihm … jetzt schon? Es müsste doch möglich sein, den Urlaub gemeinsam … Er war geschlaucht von diesem Tag, würde ihn nicht mehr mit einem Glas Rotwein und Musik aus seiner großen Vinylplattensammlung ausklingen lassen, sondern sofort nach dem Anruf ins Bad gehen und anschließend ins Bett. Die Ereignisse dieses Tages würden ihn unweigerlich von innen auffressen, ihn aushöhlen, wenn er ihnen noch länger nachhinge.
Für den morgigen Samstag hatte er von Mühlbauer kurzfristig den Bereitschaftsdienst übernommen … er würde also hier auf Deck bleiben … doch nicht allein, hoffte er.
»Vera?«
»Ja.«
»Erich hier. Mit einem Anschlag …«
5
Der Himmel war noch bedeckt, die Straßen glänzten nass im grauen Zwielicht und waren voller Pfützen; das frische Laub der Kastanienbäume blinkte feucht in intensivem Grün, als Erich die Einkäufe für den Brunch erledigte. Vom nächtlichen Gewitter hatte er nichts bemerkt, nachdemer so früh ins Bett gesunken, sofort eingeschlafen und kein einziges Mal wach geworden war. Dafür fühlte er sich heute seit langem wieder einmal richtig ausgeschlafen.
Während er den großen Tisch, über den er ein weißes Tischtuch gebreitet hatte, mit all den Delikatessen belegte, die Vera hoffentlich schmeckten, wenn sie so gegen halb elf wie vereinbart eintreffen würde, dröhnte von der Stereoanlage ein beglückend perfektes Schlagzeugsolo von Dennis Chambers durch die offen stehende Balkontür.
Da nunmehr die Sonne hervorkam und sich die letzten Wolken rasch aufzulösen begannen, spannte er erstmals den Sonnenschirm auf. Er hatte Sekt eingekühlt, noch gestern Abend nach dem kurzen Telefonat mit Vera den Rotwein dekantiert, und auch seine Espressomaschine war betriebsbereit. Und wenn er ehrlich war, verspürte er selber schon großen Appetit auf die Köstlichkeiten, die unter der vanilleeisfarbenen Bespannung des Schirms aus edlem Holzgestänge auf sie warteten.
Er ging noch einmal ins Wohnzimmer und wählte aus seiner Mozart-Gesamtausgabe der
Academy of St. Martin in the Fields unter Sir Neville Marriner
eine CD mit Klaviersonaten als passende Empfangsmusik für seinen Gast. Als er dann wieder vor dem reichlich gedeckten Tisch stand und sein Blick auf das Mobiltelefon fiel, musste er kurz bitter auflachen bei dem Gedanken, dass Vera schon im nächsten Moment anrufen würde, um sich zu entschuldigen. Denn wie käme ein Erich Laber, fast fünfzig Jahre alt und ein zu Schrullen neigender alleinstehender Herr, überhaupt dazu, beruflich ganz und gar unerwartet aufzusteigen, nach Salzburg zu übersiedeln und schon im Zuge seiner ersten Ermittlung in der Mozartstadt auf einen Menschen wie Vera Stelzmann zu treffen? Eine Frau, dieselber erst vor einem knappen Jahr hierher gezogen war, wie um ihm zu begegnen.
Seine Angst vor Veras Absage ließ ihn fast schon hören, wie Eric Clapton das aus dem Wohnzimmer perlende Klavierkonzert übertönte! Doch kaum dass ihm dieser Gedanke durch den Kopf gegeistert war, vernahm er von der Straße her das Läuten einer Fahrradklingel – und Vera winkte vergnügt zu ihm hinauf. Und Dr. Erich Laber rannte los, stürzte die Treppen des Stiegenhauses hinunter, um seine Besucherin an der Haustür persönlich mit einer vorsichtig-zurückhaltenden Umarmung zu empfangen.
Als er die Frau dann durch das Provisorium führte, das den Großteil seiner Luxuswohnung noch immer bestimmte, beteuerte er lachend, dass sie aus dem Chaos bloß nicht den falschen Schluss ziehen möge, bei ihm handle es sich um einen Wohnamateur. »Ich werde nur immer fauler. Zumindest schiebe ich all das, was nicht direkt mit dem Beruf zusammenhängt, ständig auf.«
Vera nickte schmunzelnd. Und Erich hoffte, dass sie bloß seine Gedanken nicht erriet. Oder – wäre doch schön, wenn sie es täte! Dass sie bald gemeinsam über die Einrichtung
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