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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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betrübt.
    »Falls dir irgendetwas auffällt, das mit der Sache zu tun haben könnte, bitte informiere mich, ja.«
    Vera nickte, schien in Gedanken aber bei ihrem früheren Partner zu sein.
    Zurück auf dem Balkon ließen sie diesen Tag mit einem Glas Rotwein ausklingen. Dann standen sie noch eine Weile am Geländer und sahen in die Abenddämmerung.
    Vor dem Haus hockte die Frau dann von Erich abgewandt vor ihrem Rad, um das massive Schloss aufzusperren. Dabei erzählte sie ihm, dass sie sich nach dem Bruch ihrer Beziehung überhastet in eine Affäre geflüchtet habe. »Das war schnell vorbei. Er hatte Frau und Kinder, hat aber so getan, als wäre er längst geschieden. Die Mozartbüste … sie ist von ihm.«
    »Mit der Büste … ich meine, bei dem Gewicht, hast du immerhin eine brauchbare Waffe in deinem Klavierzimmer.«
    Vera lachte, richtete sich auf und sagte: »Dann war diese Enttäuschung wenigstens nicht ganz umsonst. Obwohl ich jetzt ohnehin einen professionellen Beschützer habe.« Darauf hin küssten sie einander lange. »Ich glaube«, sagte sie nachher leise an Erichs Ohr, »es dauert nicht mehr lange, bis ich wieder … du verstehst.«
    »Ich war heute schon … nein, ich hatte Bereitschaft«, sagte Erich. Und als sie ihn fragend ansah: »Dienstlich, meine ich.« Vera fiel sofort in sein Lachen ein.
    Er sah ihr nach, bis das rote Rücklicht abgebogen war.
    Als er langsam in seine Wohnung hinaufstieg, machte sich der Wein bemerkbar. Eine Fülle von Bildern und Empfindungen nahm ihn gefangen. Und er verspürte eine angenehme Mattigkeit. Als er sich die Radionachrichten anhörte, ins Bad ging und sich danach ins Bett legte, dachte er die ganze Zeit nur an den Menschen, der – in diesem Moment anrief.
    »Wirklich?« Erich reagierte verblüfft auf das, was Vera ihm da gerade erzählt hatte.
    »Ja … beim Heimradeln ist es mir wieder eingefallen.«
    »Das Foto eines Kapuzenmannes?«
    »Ja. Aber, wie gesagt, ich gehe davon aus, dass das Kuvert mit dem Foto irgendeiner Studentin gegolten hat.«
    »Eine Kutte? Wie vom Ku-Klux-Klan?«
    »Ja.«
    Erich dachte sofort daran, dass ein Klan-Führer in Zell am See einen Zweitwohnsitz hatte, während er ungläubig wiederholte: »Ein Ku-Klux-Klan-Kapuzenmann?«
    »Ja, Erich, so in etwa. So genau kenne ich mich damit auch nicht aus. Aber die Ku-Klux-Klan-Kutten sind doch weiß?«
    »Die sind weiß, Vera.«
    »Die Person auf dem Foto trug aber eine schwarze Kutte.«
    »Eine schwarze?«
    »Ja. – Aber das Foto … nein, das hat sicher nicht mir gegolten. Es stand kein Wort auf dem Umschlag. Kein Hinweis, für wen das Kuvert bestimmt war.«
    »Hmmm. Trotzdem schade, dass du das Bild weggeworfen hast«, sagte er, obwohl er ihr doch keinen Vorwurf machen wollte. »Wegen allfälliger Spuren, weißt du … aber egal, ich denke, du hast ohnehin Recht mit deiner Einschätzung. Ich schicke am Montag einfach jemanden vorbei. Der soll sich unter den Studenten umhören.«
    »Ist gut, Erich. Für mich war es jetzt sowieso mehr ein Vorwand«, sagte sie mit einem kurzen mädchenhaften Kichern.
    »Aber Vera, du kannst mich doch immer … rund um die Uhr …«
    Es entstand eine kurze Pause, nach der die Frau mit deutlich dunklerer Stimme mehr flüsterte, dass der heutige Tag für sie … so kitschig sich das anhöre … wirklich der Schönste gewesen sei, den sie seit langem erlebt habe. »Ich … Erich, ich wollte unbedingt noch einmal deine Stimme hören, vor dem Einschlafen.«
    »Und ich kann dir gar nicht sagen, welche Freude dumir damit gemacht hast. Schade, dass du morgen mit Anja arbeiten musst.«
    »Ja. Aber wir werden noch sehr viel Zeit füreinander haben. Wenn du magst.«
    »Ich wüsste nicht, was mir lieber wäre.«

6
    Um irgendetwas zu tun und zumindest für kurze Zeit der bedrückenden Atmosphäre in der Wohnung zu entfliehen, tat Peter Aberger, wozu er dieses Jahr noch nicht gekommen war, und trug die Winterschuhe der Familie in ihr Kellerabteil, um sie wie jedes Jahr den Sommer über in einem alten Kasten aufzubewahren. Wie furchtbar, Birgits Stiefel in den Schrank zu stellen. Stiefel, die seine Tochter nie wieder tragen würde – und die bewusst so bemessen waren, dass sie ihr im nächsten Winter noch gepasst hätten.
    Anna, die trotz des schwülen Wetters fror wie immer, wenn sie litt, hatte er mit einer großen Tasse Tee auf der Couch kauernd zurückgelassen – in ihren dicken Schafwollsocken und der warmen, fast knielangen himmelblauen Strickjacke, die sie bis zu

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