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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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nicht zur Routine geworden waren. Zum Glück kamen sie nicht täglich vor. Alle Zusatzausbildungen, die psychologischen Schulungen, die er inzwischen gerade für die Bewältigung derartiger Aufgaben absolviert hatte, halfen ihm in einem konkreten Fall noch immer viel zu wenig. Als Harlander, angespannt und nervös, wie er war, einmal kurz zu seinem Chef sah, bemerkte er, dass dieser fror – und drosselte die Klimaanlage.
    Als sie sich wieder in Bewegung setzten, dauerte es nicht mehr lange, bis sie den Wohnblock in der Bürglsteinstraße erreicht hatten. Der schlaksige Joe Harlander, der gut einen Kopf größer war als sein Chef, dehnte undstreckte sich übertrieben oft. Erich sah sich ein wenig um – eine Wohnanlage von der Stange, Gehäuse für ein Durchschnittsleben. Mehr wollten die meisten hier wohl auch gar nicht: mit den Kindern halbwegs gesund über die Runden kommen, mit einem Job, der einen überleben ließ und der nicht noch einen zweiten erforderlich machte; dazu einmal im Jahr Urlaub am Meer. Und die kleine Familie Aberger verlor ihr einziges Kind – noch dazu auf so grauenvolle Weise. Erich hätte viel dafür gegeben, wieder ins Auto steigen zu dürfen. Als er noch unschlüssig neben seinem jungen Mitarbeiter stand, bog ein Kleinwagen in den Parkplatz ein, dem eine junge Frau entstieg, die sich als Mag a . Emminger von der Krisenintervention vorstellte. »Ja, wir haben miteinander telefoniert.«
    »Sehr gut«, sagte Erich, als er ihr die Hand schüttelte und Harlander vorstellte. »Sie kommen gleich mit hinein, oder?«
    »Ja, ich halte mich im Hintergrund, bis ich gebraucht werde. Ein Riesenaufgebot steigert nur die Dramatik.«
    Erich nickte. In diesem Moment sahen sie eine Frau auf dem Rad auf das Haus zukommen – vorne und hinten mit Einkäufen bepackt. Obwohl er Frau Aberger noch nie getroffen hatte, wusste er sofort, dass sie es war. Die Frau arbeitete im Supermarkt und brachte am Abend mit dem Fahrrad natürlich auch die Einkäufe für die Familie mit. Die Geschäfte hatten inzwischen längst geschlossen, nur die Mitarbeiter kamen noch nicht weg.
    Mein Gott, dachte Erich, als er die Frau sah, was für ein beschissener Job! Ein so wunderbarer Abend an einem so wunderbaren Tag in einer so wunderbaren Stadt – und so eine Aufgabe.
    Sie folgten der Frau, die ihr Rad neben dem Eingang in den Ständer schob, um es abzusperren. Als die kleineGruppe Frau Aberger erreicht hatte, richtete die sich auf, sah die beiden Männer und die Frau und begann augenblicklich zu zittern.
    »Birgit … ist etwas mit …«
    Die Frau sah Erich in angstvoller Erwartung an. Der Chefinspektor nickte, und die Psychologin legte den Arm um sie. Harlander griff nach den Einkäufen. Birgits Mutter begann nun am ganzen Leib zu beben. Verwirrt fragte sie: »Ist Peter … ist denn mein Mann noch nicht da?«
    »Wir sind auch gerade erst gekommen, Frau Aberger«, antwortete Erich verhalten. »Gehen wir doch bitte hinein.«
    In der offenen Wohnungstür wurden sie schon von Peter Aberger erwartet. Seine Frau lief auf ihn zu und klammerte sich an ihn. Während sie aufschluchzte, drückte sie ihr Gesicht an seine Brust.
    In der Wohnung schlüpften die Besucher aus ihren Schuhen und folgten dem Ehepaar an der Küchentür vorbei ins Wohnzimmer.
    »Sie wurde … gefunden? Sie ist … ist sie …« Birgits Vater versagte die Stimme.
    Erich nickte, sagte aber: »Nicht direkt … noch nicht …« Mein Gott, wie sollte er das nur sagen. Er hatte sich doch … wie viele Varianten er schon durchprobiert hatte!
    Die Psychologin sprang ihm bei und bat die Frau darum, sich zu setzen. Sie griff in ihre Rocktasche und entnahm ihr eine Tablette. »Ein Glas Wasser, bitte …« Harlander verließ das Wohnzimmer und kam erstaunlich schnell mit einem gefüllten Glas zurück.
    »Bitte, Frau Aberger, nehmen Sie die. Sie wird Ihnen gut tun.«
    Schon während der Fahrt nach Hause, erzählte die Frau mit tränenerstickter Stimme, habe sie das Gefühl gehabt,dass mit Birgit … sie denke doch sowieso ständig an ihre Tochter, aber heute beim Heimradeln … als hätte sie etwas geahnt … »Auf einmal … auf einmal habe ich so eine Angst gekriegt, dass … und als ich Sie alle da stehen gesehen …« Die Frau begann zu weinen, und die Psychologin drückte sie an sich. Peter Aberger wurde bleich und starrte Erich entsetzt an.
    Frau Aberger wischte sich mit dem Ärmel über die Augen: »Grad wo ich mich noch so gefürchtet habe, beim Heimradeln … dann, gleich

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