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Mordsonate

Mordsonate

Titel: Mordsonate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O. P. Zier
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darauf … habe ich aber auch wieder gedacht, heut mach ich der Birgit noch Spaghetti. Die wollen alle, wissen Sie. Auch die Anja, wenn sie da ist. Da können sie noch so gut Klavier spielen, Spaghetti bleibt das Lieblingsessen. Eigentlich … sind sie ja doch alle gleich, die Kinder, nicht?«
    Frau Abergers Gesicht verzerrte sich wie in Zeitlupe, wie ein halbfertiges Lächeln, das in ein Weinen überging. Mit einem fast lautlosen Schluchzen drängte sie sich wieder gegen die Brust ihres Mannes, der steif neben ihr saß und ihr unbeholfen den Arm um die Schulter legte, während er erkennbar gegen seine eigenen Gefühle ankämpfte.
    Erich und Harlander nahmen auf der gegenüberliegenden Seite des Couchtisches in den wuchtigen Polsterstühlen Platz. Als das laute Geräusch eines Hubschraubers zu vernehmen war, bemerkte Erich erst, dass die Balkontür offen stand und nur der Store vorgezogen war. Jetzt hörte er auch den Verkehrslärm von der Bürglsteinstraße. Und dazwischen Vogelgezwitscher.
    Es dauerte lange, bis sich Frau Aberger von der Brust ihres Mannes gelöst hatte. Sie griff nervös mit beiden Händen zum Couchtisch und zupfte das darauf liegende Häkeldeckchen zurecht. Ohne jemanden anzusehen, fragte sie halblaut, was Birgit denn genau passiert sei.
    Die Psychologin sagte, dass die Untersuchungen eindeutig ergeben hätten, dass Birgit nicht leiden habe müssen. »Nein, Frau Aberger, da können Sie beruhigt sein.« Sie schüttelte den Kopf und sah auch Herrn Aberger an.
    Anna presste ihre Lippen aufeinander – und die Tränen liefen sofort wieder. Es war ihr anzumerken, dass sie dagegen anzukämpfen versuchte, und sie wischte die Tränen schnell weg. Sie wandte sich der Psychologin zu und sagte: »Das ist doch das Einzige, was zählt, nicht? Auch bei einem Unfall. Wie oft passiert einem Kind ein schlimmer Unfall. Wo die Eltern auch nichts machen können.«
    Die Psychologin nickte und legte ihren Arm um die Frau, die sich merkbar entspannte; das Medikament zeigte Wirkung. Nun kämpfte Birgits Vater mit seiner Verzweiflung, und Erich hatte plötzlich das Gefühl, als wären sie von der tatsächlichen Nachricht noch unendlich weit entfernt. Wie sollten sie ihnen bloß die entsetzlichen Details erklären?
    Plötzlich sagte Anna erstaunlich gefasst: »Die Ungewissheit … das war doch ganz furchtbar! Ein Schicksalsschlag … so viele Menschen müssen mit so einer Prüfung zurecht kommen … aber nicht zu wissen, dass … und sie hat nicht gelitten, Birgit hat wenigstens nicht leiden müssen. Dürfen wir überhaupt mehr als das … verlangen?«
    »Nein, sie hat sicher nicht gelitten, Frau Aberger«, pflichtete ihr die Psychologin bei und streichelte über ihren Unterarm. »Es ist ein kranker Mensch, der so etwas macht. Ein sehr kranker. – Und wir werden sie auch noch finden, ganz bestimmt.«
    »Was heißt … wer? Birgit?« fragte Peter Aberger irritiert. Er sah den Chefinspektor an, als er sagte: »Sie haben sie also noch gar nicht … wie … wie wollen Sie denn dann überhaupt wissen, dass …«
    »Die Finger …«
    »Die Finger?« wiederholte Birgits Vater ungläubig und sah nun von einem zum anderen. »Soll das heißen, dass jemand ihre Finger …« Peters Gesicht verzerrte sich, er konnte einen heftigen Weinkrampf nicht unterdrücken. Seine Frau drängte sich an ihn. Streichelte Kopf und Wangen ihres Mannes. »Peter, bitte, Peter …«
    Sie versuchte ihm ins Gesicht zu schauen, doch er drehte sich weg. »Peter«, sagte sie, »es ist doch … ist es denn nicht wie … wie bei einem schrecklichen … Unfall, da ist es doch auch nicht anders, nicht?«
    Darauf hin blickte sie sich um.
    »Ganz genauso ist es, Frau Aberger«, pflichtete ihr Erich mit unsicherer Stimme bei. »Es ist etwas, dem man ausgeliefert ist, weil man einfach gar nichts tun kann … nichts gegen einen Autounfall, nichts gegen ein Erdbeben, eine Flutwelle … und auch in so einem Fall …«
    Anna nickte mit abwesendem Blick und versuchte ihrem Mann Kraft zu geben, indem sie ihn an sich drückte.
    »Wer … wer um Himmels willen tut denn so etwas? Das ist doch … pervers ist das!« Peter Aberger sah niemanden an, als er das sagte. Dann wandte er sich wieder an Erich: »Alle zehn?« Seine Frau streichelte ihm über den Hinterkopf.
    »Nein.« Erich schüttelte den Kopf. »Drei«, sagte er leise und fügte schnell hinzu: »Wir werden ihn finden, das verspreche ich Ihnen. Wer immer das getan hat, wird sich dafür verantworten müssen.«
    Peter

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