Mordspech (German Edition)
die sonst nie etwas sagt, meldet sich plötzlich zu Wort.
»Darf ich auch mal was sagen?«
Die Frage aus ihrem Mund allein ist schon so erstaunlich, dass sich ihr alle zuwenden.
»Uta kann nicht zur Aufklärung beitragen, richtig?«
Richtig, denke ich, wie auch? »Der Einzige, der hier aufklären kann, ist Karl. Der soll mal sagen, was los ist!«
»Und warum fragen wir ihn dann nicht?«
»That is the question«, zitiere ich Shakespeares Hamlet, ohne die Seinsfrage zu stellen.
»Wir hören ihn ja nachher dazu«, sagt Hugo Powileit, der Richter. »Aber jetzt ist erst mal Uta da. Hat noch jemand Fragen an sie?«
»Ich«, Carlos Lederer erhebt sich und läuft wie Fernsehanwalt Perry Mason auf und ab. »Wissen Sie, Uta, ich bin ein sehr erfolgreicher Unternehmer und Arbeitgeber von gut zwei Dutzend Leuten. Mir ist nichts Menschliches fremd. Sie können also ganz offen sein.«
»Ich bin offen.« Ihr kommen fast die Tränen.
»Natürlich, daran zweifelt hier niemand.« Carlos stützt die Hand ins Kinn und sieht Uta aufmerksam an. »Und Ihnen ist wirklich nichts aufgefallen? Am Verhalten von Karl? Hat er Sie geschnitten? Gab es vielleicht Störungen in der Kommunikation zwischen Ihnen?«
»Ich weiß nicht.« Uta überlegt. »Natürlich gab es mal Unstimmigkeiten und Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, aber wo gibt es das nicht. Und wir haben das auch immer ausdiskutiert. Ansonsten ist mir nichts aufgefallen. Dass er mit mir nicht zurechtkommt, also ehrlich: Das ist ein Hammer für mich. Wo er mir noch heute Morgen ausdrücklich versichert hat, wie wertvoll ihm die beruflichen Erfahrungen sind, die er mit mir gemacht hat.«
Sieh an, denke ich, unser Karl ist auch noch Zyniker.
»Er hat Sie gelobt?«
»Ich weiß nicht, ob das lobend gemeint war«, erwidert Uta. »Jetzt sowieso nicht mehr. Ich bin …«, sie sucht nach einem geeigneten Wort, »… verwirrt.«
»Was dachten Sie denn, warum wir Sie einbestellt haben?«
»Ich nahm an, es ist was mit einem der Kinder.« Sie sieht Carlos aus feuchten Augen an. »Ich meine, darum geht es doch: um die Kinder, oder?« Jetzt bricht sie tatsächlich in Tränen aus, und alle schweigen betroffen. »Entschuldigung«, schluchzt sie, »das kommt ein bisschen plötzlich für mich.« Sie sucht in ihrer Handtasche nach einem Taschentuch, findet aber keines.
Monika stößt mich an und reicht mir eines von ihren Tempos, das ich an Uta weiterreiche.
»Danke.« Sie tupft sich die Augen. »Ich würde jetzt gern gehen.«
Carlos Lederer nickt. »Natürlich. Ich habe keine weiteren Fragen mehr.«
»Ja, ähem …« Hugo Powileit hat kaum noch Stimme, so heiser wirkt er. »Also wenn dann keine Fragen mehr sind, würde ich auch dafür plädieren, Uta gehen zu lassen. Sind alle einverstanden?«
Sind wir. Alle nicken.
»Gut, Uta, dann danke ich Ihnen«, krächzt der Richter, »Sie dürfen …«
»Danke!« Uta steht etwas zu schnell auf, sodass der gelbe Hüpfball einen Moment lang unkontrolliert herumspringt, und verlässt hastig den Raum.
»Na, das ist ja super gelaufen«, meint Jana Heidenreich und klatscht sarkastisch in die Hände: »Großartig, Leute! Ihr seid richtig toll!« Sie erhebt sich. »Ich muss erst mal eine rauchen.« Sie sieht Monika und mich an, weil sie weiß, dass wir auch dem Nikotin zugetan sind. »Kommt ihr mit?«
»Gut, dann machen wir eine kurze Pause«, pflichtet ihr Hugo, der Richter, bei und erhebt sich ebenfalls. »Will jemand was trinken?«
Während drinnen gelüftet wird und die Eltern sich wieder dem Wein zuwenden, stehen Monika, Jana und ich vor der Tür und ziehen an unseren Zigaretten. Jana ist total wütend.
»Vollidioten«, schimpft sie, »gehen grundsätzlich biologisch einkaufen, faseln dauernd von Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit, und dann führen sie sich so auf! Was für Arschlöcher!«
»Ja, das ist schon ziemlich seltsam, was hier gerade abgeht«, stimme ich ihr zu. »Vor allem Klaus und Bea machen eine üble Figur.«
»Der nennt sich Sozialarbeiter!« Jana tippt sich gegen die Stirn. »Da kriege ich Angst.«
»Aber Karl ist doch ganz nett«, wendet Monika ein. »Ich bin gespannt, was er zu sagen hat.«
Das sind wir alle. »Niemand hat gesagt, dass Karl nicht nett ist. Aber wie er die Sache eingefädelt hat, ist schon ziemlich intrigant. Ich finde nicht, dass er damit durchkommen sollte.«
»Wird er aber.« Da ist sich Jana sicher. »So läuft’s nun mal.« Sie lächelt bitter. »Da kann ich ein Lied von
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