Mordspech (German Edition)
SEK oder so? Die könnten dann die Kirche umstellen und ich den dicken Zampano machen. Mit einem Megafon, das meine Stimme donnernd verstärkt: »Verlassen Sie die Kirche unbewaffnet! Ergeben Sie sich! Sie haben keine Chance!«
Doch was, wenn sich Leute in der Kirche befinden? Der Pfarrer zum Beispiel, Touristen oder betende Gläubige? Und die dann als Geiseln genommen werden, weil sich der Pagenkopf in die Enge getrieben fühlt?
Schon nähert sich eine Reisegruppe der Kirche. Mindestens fünfzehn Personen und eine blutjunge Reiseleiterin mit übergroßer Sonnenbrille.
»Wir befinden uns hier«, erklärt sie routiniert, »vor der katholischen Propsteikirche Sankt Peter und Paul. Diese beiden Apostel sehen Sie direkt dort oben über dem Hauptportal links und rechts von der Maria mit dem Kinde. Achten Sie auf den Glockenturm, er ist dem Campanile in Verona nachempfunden und entspricht so einer gängigen Mode des neunzehnten Jahrhunderts, die möglicherweise schon von Goethes Italienreise ausgelöst wurde. Doch spätestens 1828, als Prinz Carl von Preußen von einem Aufenthalt in der Toskana zurückkehrte, wurde die gesamte märkische Landschaft um Potsdam herum nach und nach sozusagen mediterranisiert. Viele Landschaftsparks und Gebäude zeugen noch heute von dieser Zeit, so auch diese um 1870 nach Plänen von August Stüler und Wilhelm Salzenburg für die katholische Garnison erbaute Kirche. Interessant ist auch die Innenraumgestaltung des Gotteshauses«, mit diesen Worten öffnet sie die Kirchentür, »mit der wir uns jetzt genauer beschäftigen wollen. Vergessen Sie bitte die Kollekte auf der linken Seite nicht. Ihre Spenden kommen ausschließlich dem Erhalt dieses bemerkenswerten Bauwerkes zugute. Vielen Dank!«
Rasch mische ich mich unter die Touristen. Fotografierend tippeln sie ehrfürchtig durch das Hauptportal und lassen die Kollekte klingeln. Auch ich spendiere ein Markstück, um nicht aufzufallen, und sehe mich aufmerksam nach einem grauen Pagenschnitt um.
Das Innere der Kirche ist gewaltig und sehr hell. Fast kommt man sich vor wie in einer Moschee. Und tatsächlich spricht unsere junge Reiseleiterin von »byzantinischen und klassizistischen Stilelementen, die typisch für den romantischen, der Antike huldigenden Eklektizismus jener Zeit sind.«
Über einer der Kirchenbänke liegt der Arztkittel. Der Pagenschnitt hat ihn ausgezogen und muss hier also noch irgendwo in der Kirche sein. Aufmerksam sehe ich mich um.
»Hey, Dieter! Das ist ja eine Überraschung!«
Ich drehe mich um und stehe vor Claudine Stamm aus unserem Kinderladen. Sie lächelt mich begeistert an.
»Was machst du denn hier in Potsdam?«
Verbrecher jagen, könnte ich antworten. Aber das würde eine längere Erklärung nach sich ziehen.
Plötzlich knallt hinter uns eine Tür. Ich weiß sofort, dass es die Killerin ist. Sie muss mich inmitten der Touristen entdeckt haben, bevor ich sie ausmachen konnte.
Ohne mit Claudine ein Wort gewechselt zu haben, renne ich wieder los, stürze hinaus auf den Kirchenvorplatz und über die Brandenburgische bis zur nächsten Querstraße. Dort sehe ich eine Straßenbahn der Linie 92 davonfahren. Hilflos und wütend bleibe ich zwischen Touristen, Flaneuren und Müttern mit kleinen Kindern zurück.
39 » IRAKER ? DAS PASST !« Grimmig legte Hünerbein den Ausschnitt der bosnischen Zeitung Oslobođenje zurück auf den Tisch. »Dann ist dieser Black Arab womöglich unser Genosse Tulfach, der uns in Altgrieben angepisst hat.«
Beylich, Matuschka und Kriminalrat Palitzsch sahen Hünerbein irritiert an.
»Na, kann doch sein!« Hünerbein warf sich schnaufend auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch und klackerte unruhig mit einem Kugelschreiber herum. »Wenn dieser Schwarze Araber tatsächlich Offizier einer Sondereinheit ist, die Waffen und Material für den Irak besorgen soll … – Nichts anderes macht auch der Genosse Tulfach.«
»Tut mir leid.« Palitzsch erhob sich und nestelte unruhig an seiner Krawattennadel herum. »Ich kann Ihnen nicht folgen. Unmöglich. Wer ist Genosse Tulfach?«
»Ein irakischer Offizier«, erklärte Hünerbein. »Wir sind ihm in Altgrieben auf die Schliche gekommen. Der macht da mit ein paar alten Stasioffizieren, den Russen und einem ABC -Trupp der Bundeswehr gemeinsame Sache. Ich weiß, es ist ein Skandal, aber so wie’s aussieht …«, er zuckte mit den Schultern, »… lässt er sich da mit ein paar netten Chemiewaffen beliefern.«
»Was?!« Palitzsch
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