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Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt

Titel: Mordspuren - Neue spektakulaere Kriminalfaelle - erzaehlt vom bekanntesten Kriminalbiologen der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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und schnell zu töten. Dem Opfer bleiben da nur zwei, drei Sekunden zum Reagieren. Für diese kurze Zeit können Sie die Arme leicht festhalten. Aber – wer sagt Ihnen eigentlich, dass der Mann nicht gefesselt war?«
    Eine in der Tat gute Frage. Denn eine Fesselung würde erklären, warum das Opfer den Birkenstapel nicht umgeworfen hätte.
    Und noch etwas fällt dem Tötungsexperten auf den Fotos vom Fundort auf, welche die Journalisten gemacht haben. Die Kerbe am Ast, über dem das Seil hing, scheint recht breit zu sein. Hätte Petroll sich selbst erhängt, dürfte sie eigentlich nurso schmal sein wie das Seil selbst. Dass die Kerbe breiter ist, könnte darauf hindeuten, dass Petroll in der Schlinge am Ast hochgezogen wurde. Dabei würde die Kerbe breiter werden, weil das Seil hin und her rutscht.
    Abb. 50: Nachstellung des Falls Petroll am echten Ast und mit den echten Birkenscheiten. Der Kriminalbiologe wird am Baum hochgezogen, um die Einkerbung am Ast und Abfärbungen aufs Seil zu prüfen. (Foto: S. Reibe/M. Benecke)
    Es müsste auch am Seil zu erkennen sein, ob das Opfer mit dem Seil am Baum hochgezogen wurde oder sich bloß in die Schlinge fallen ließ. Beim Hochziehen würde eine gewisse Länge des Seils über die Rinde gezogen und müsste dabei schmutzig werden. Beim Selbstmord hingegen würde nur der Teil des Seils anschmutzen, der um den Ast geschlungen war.
    Auch der Holzstapel gefällt dem pensionierten Ermittler nicht: »Das wirkt doch wie im Nachhinein aufgebaut. Wie ein Täuschungsmanöver, um vom wirklichen Geschehen abzulenken.«
    Abb. 51: Versuche am echten Ast im Fall Petroll. Eine deutliche Kerbe entsteht nur, wenn die Leiche am Ast hochgezogen wird, nicht jedoch bei einer echten Erhängung ohne Hochziehen der Leiche. (Foto: M. Benecke)
    Ein Grund mehr, sich das echte Seil anzusehen. Denn auch im Obduktionsbericht der Rechtsmedizin findet sich der Hinweis auf Verschmutzungen des Seils: »Dieses Seil wurde vermutlich am Ast befestigt. Am Seil selbst sind deutliche schwarze Fremdanhaftungen an der Oberfläche.« Fragt sich nur, über welche Strecke der Schmutz reicht. Wie gesagt, das Seil muss her.
    Nach drei Wochen gelingt es Opalka und Jahn, die Seilstücke anzusehen: drei Stücke, jedes zwischen dreißig und vierzig Zentimeter lang und verschmutzt – und zwar sehr stark, jeweils nahezu über die ganze Länge. Doch wo ist der Henkersknoten und wo die Schlinge, die über den Ast führte? Und wieso sind es nur drei kurze Stücke?
    Ein kurzes Experiment gibt Aufschluss. Wenn man eine dreifache Handfesselung durchschneidet, bleiben drei einzelne, gleich lange Seilstücke übrig, jeweils um die dreißig Zentimeter lang. Handelt es sich hier gar nicht um das Seil, mit dem Petroll am Baum hing, sondern um den Beweis einer Fesselung? Das wäre eine Sensation, weil damit die Begründung der Staatsanwaltschaft widerlegt wäre, dass es keinerlei Hinweise auf die Beteiligung anderer Personen gäbe.
    Nun müssen die Stücke also nur noch mit dem »langen« Seil, das zur Erhängung benutzt wurde, verglichen werden. Sind sie am Ende aus verschiedenen Materialien? Von anderer Farbe? Dann wäre wohl sicher gezeigt, dass Petroll gefesselt in die Schlinge gehängt wurde. Doch der Seilinformant schüttelt den Kopf: »Mehr war nicht da. Keiner weiß, wo der Strick geblieben ist. Vermutlich ist er einfach vernichtet worden.« Unerwartet, bei Freitoden aber meist wahr: Der Strick wird einfach in den Abfall geworfen. Wer sollte ihn auch haben wollen? Der Bestatter, die Angehörigen, das Institut für Rechtsmedizin? Niemand kann bei einem Selbstmord mit einem nun überflüssig gewordenen Seil etwas anfangen.
    So verlief also auch die Seilspur im Sand des Ermittlungsgetriebes.Solange unklar blieb, ob die drei anderen Seilstücke – waren es übrigens nicht ursprünglich vier gewesen? – zum Hauptseil gehörten oder nicht, konnte hier keine weitere Aussage erfolgen.
    Eines fragten sich Opalka und Jahn aber doch: Wie sollte Petroll eigentlich das Seil zerschnitten haben, wenn sein ständiger Begleiter – ein Leatherman-Taschenmesser – fehlte und am Fundort der Leiche kein einziger scharfer Gegenstand gefunden wurde? Hatte sich Petroll etwa Tage vorher genau diesen Baum ausgesucht, zu Hause das Seil zurechtgeschnitten, in der Schlinge hängend noch drei bis vier überstehende Enden von verschiedenen Seilstücken abgeschnitten und sich dann erhängt? Denn wenn er sein Messer einfach hätte fallen lassen – wo

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