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Mordsschock (German Edition)

Mordsschock (German Edition)

Titel: Mordsschock (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hoffmann
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dem Leben bezahlt hatte. Und ich um ein Haar!
    Ich beschloss, zunächst niemandem von meinem Verdacht zu erzählen. Ein Punkt, den die ehemalige Verwaltungsangestellte bestätigt hatte, versetzte mir einen Herzstich: die Beteiligung aller Fraktionen! Bisher hatte ich diesen Aspekt verdrängt, aber jetzt half das nicht mehr. Kens Andeutungen fielen mir ein, als wir von Krüger sprachen. Wie weit hing er mit drin? Was wusste er? Mir schwirrte der Kopf.
    Huber. Mein unbändiger Hass auf den Angreifer am Grab des Nicolaus von Bernfried und auf Oscars Mörder trieb mich an und lenkte mich von Ken ab. Die fixe Idee, aus Hubers Richtung könnten die Attacken kommen, setzte sich in mir fest wie ein Luftballon, den jemand langsam aufblies. Sie wurde größer und größer.
    Hubers Statur stimmte ungefähr mit der des Angreifers überein. Wobei das überhaupt nichts bedeutete, denn viele Menschen besaßen diese mittlere Größe. Nicht einmal seine Figur ließ sich lokalisieren, weil sie in der weiten schwarzen Verkleidung nicht auszumachen gewesen war. Seine Wendigkeit traute ich dem eher behäbig wirkenden Huber nicht zu. Aber wer weiß, wozu der fähig war! Endlich hatte ich den Sündenbock, nach dem ich so lange gesucht hatte!
    Abends beschattete ich das Rathaus und wartete im Auto sitzend auf Huber.
    Gegen 19 Uhr marschierte er mit kurzen abgehackten Schritten zu seinem Stellplatz.
    Ich fuhr ihm hinterher. Vielleicht führte er mich auf irgendeine Spur, die ihn entlarvte. Kindische Gedanken, aber ich klammerte mich an jeden Hoffnungsschimmer, der mir mehr Aufschluss geben könnte. Ihn als Verdächtigen Herder ans Messer zu liefern, wäre schwachsinnig. „Beweise? Wo sind die Beweise?“, hörte ich im Geiste Herders sachliche Stimme.
    Hubers dunkelroter Mercedes brauste in überhöhter Geschwindigkeit los. Er verließ die Hauptstraße und bretterte durch einige Tempo-30-Zonen. Von Vorbildfunktion als Bürgermeister keine Spur!
    Ich gab Gas, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. So wie der abhaute, hatte er was zu verbergen! Fuhr er wieder in eines von Krügers Etablissements, um sich erotischen Amüsements hinzugeben?
    In Affengeschwindigkeit bog Hubers Wagen, ohne zu blinken, rechts ab. Ich hatte nicht schnell genug geschaltet, kriegte die Kurve nicht rechtzeitig und schoss an der Straße vorbei. Mit quietschenden Reifen bremste ich und setzte zu einer rasanten Rückwärtsfahrt an.
    Neben mir stoppte ein grünlicher Wagen und versperrte mir den Weg.
    „Spacken!“, wütete ich. „Haben Sie den Führerschein ...“ Die restlichen Wörter verschluckte ich, weil ein Typ in zum Auto passender Uniform ausstieg und gegen meine Scheibe klopfte.
    „Ihre Papiere bitte!“, verlangte er mit gelangweilter Routine. Das Auge des Gesetzes!
    Ich kassierte eine saftige Strafe wegen meiner überhöhten Geschwindigkeit. Böse trommelte ich gegen das Lenkrad. Am meisten ärgerte mich, dass der gute Huber, der Schuldige an meinem Fahrstil, unbehelligt weitergedüst war. Den hatten sie natürlich nicht erwischt! Und zu allem Überfluss war er nun futsch.
    Ich fuhr mit gefletschten Zähnen in die gleiche Straße, in die Huber zuvor eingebogen war. Da entdeckte ich ganz am Ende der Straße einen dunkelroten Mercedes, der an der Seite parkte. Die Karre von Huber! Eindeutig! Ich erkannte das Kennzeichen. Jaaa!
    Ich stellte meinen Wagen sicherheitshalber ein ganzes Stück entfernt ab und stieg aus.
    Kastanien säumten die schmale Straße und die sandigen Gehwege. Lauter ältere Doppelhäuser mit kleinen Vorgärten schmiegten sich aneinander. Alle im bescheidenen 50er-Jahre-Siedlungsambiente. Spitzdach, schmale Form. Einige trugen kastenförmige Anbauten nach hinten heraus, die man ihnen im Laufe der Jahre wie ein fremdartiges Geschwür eingepflanzt hatte.
    Ich postierte mich hinter einer breiten Kastanie mit tief herunterhängenden Ästen voller gelbbrauner Blätter. Von hier konnte ich Hubers Mercedes gut beobachten. Nach einer halben Stunde startete ich einen Indianertanz um den Baum herum, weil meine Füße eingeschlafen waren. Außerdem fror ich allmählich. Der Sommer existierte nur auf dem Papier. Was, wenn Huber hier wohnte und vor morgen früh nicht wieder herauskam? Ein feuchtkalter Wind pfiff durch meine dünne Jeansjacke.
    Ich schlich zu dem gelb geklinkerten Haus, vor dem sein Wagen parkte und guckte auf das Messingnamensschild über einem Kübel voller Fleißiger Lieschen. Emilie Steinhauer. Das klang nicht nach Hubers Familie.

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