Mordsviecher
haben alte oder ungewollte Pferde aufgenommen. Die haben doch auch ein Recht auf Leben! Sie wohnen im artgerechten Offenstall.«
Nun ging es mit Irmi durch. »Artgerecht? Ihre Schützlinge standen knietief im Morast, hatten Hufe wie Schnabeltassen, wo sich das Horn bereits nach oben aufbiegt. Das Futter war zertrampelt. Artgerecht? Sie wissen schon, dass es durch den permanenten Zuzug neuer geretteter Pferde ständige Rangordnungskämpfe gibt. Alte Pferde aber sind nicht mehr wehrhaft, sie haben oft schwere Prellungen und offene Wunden. Die Pferde sind nicht nach Geschlechtern getrennt, und die Fohlen werden zu Tode getrampelt. Wie bei Ihnen! Gerade alte Pferde brauchen einen individuellen Rückzugsraum! Ein wirklich guter Offenstall müsste viel größer sein und über trockenen Boden verfügen, es müsste Futterraufen geben und sauberes Wasser. Von wegen Gnade, diese Tiere sind Ihretwegen durch die Hölle gegangen!«, rief Irmi und wusste gar nicht, wo all diese Worte hergekommen waren. »Und was war mit den Hunden, den Kaninchen? Was, Frau Rosenthal! War das auch alles Gnade?«
»In der Natur leben Pferde auch in Gruppen, Hunde sind Rudeltiere, und Kaninchen …«
»… lieben es, wenn man ihnen die Ohren zu wunden Stummeln abbeißt?« Irmi wäre beinahe auf die Frau losgegangen.
Dass Kathi sie einmal bremsen würde, das hätte sich Irmi nicht träumen lassen. Aber bevor Frau Rosenthal womöglich tätlich angegriffen wurde, ging Kathi dazwischen.
»Ihr Schwager wurde gestern Nacht tot auf diesem Folterhof gefunden. Mitten zwischen irgendwelchen Reptilien.« Kathis Stimme war schneidend. Ihr makelloses Gesicht sah aus wie in Eis gemeißelt.
»Kilian? Tot?«
»Tot, jawohl!«
Frau Rosenthal starrte sie an und schwieg.
»Hat es Ihnen etwa die Sprache verschlagen? Schlecht, in ihrem Promojob!«, kommentierte Kathi mit schneidender Stimme.
Es war, als hätten sie die Rollen getauscht. Kathi versuchte sich in Zynismus, und Irmi wäre beinahe handgreiflich geworden. Es war ihr ausgesprochen unangenehm, dass sie vorübergehend die Kontrolle über sich verloren hatte. So kannte sie sich gar nicht.
»Ist er wirklich tot?«, vergewisserte sich Frau Rosenthal.
»Ja, mausetot. Frau Rosenthal, Sie können schon mal mit einer saftigen Anzeige wegen hundertfachem Verstoß gegen das Tierschutzgesetz rechnen.« Irmi hatte sich wieder etwas besser im Griff. »Und noch eine Frage: Was war eigentlich mit den Reptilien?«
»Wir hatten mit den Reptilien nie was am Hut, meine Schwester und ich. Das war Kilians Bereich. Nur er hatte die Schlüssel zu dem Gebäude. Er hat diesen Bereich immer ganz für sich haben wollen. War mir auch recht, ich hasse Schlangen.«
»Sie wollen mir also weismachen, dass Sie über seinen Reptilienbestand nichts wussten?«
»Wie gesagt: Natürlich weiß ich, dass er diese Tiere hält, aber nicht, welche und wie viele.« Frau Rosenthals Stimme wurde schriller.
»Da scheinen Sie generell etwas den Überblick verloren zu haben, Frau Rosenthal!«, meinte Irmi.
»Ich war nicht mehr so oft droben. Kilian hat gesagt, er füttert die Tiere, weil er ja sowieso zu seinen Lieblingen geht.«
Irmi starrte die Frau an. Sie war also nicht mehr so oft droben gewesen. Hatte die Tiere einfach vergessen. Im Stich gelassen. Auf andere abgeschoben.
»Was für ein schönes Andenken an Ihre Schwester! Sie haben die Tiere einfach verrotten lassen!«
»Also hören Sie mal! Mein Schwager war sehr zuverlässig. Ein Ehrenmann. Ich musste in letzter Zeit häufig nach Karlsruhe, was unterstellen Sie mir da eigentlich?«
Irmi schluckte und fragte mit äußerster Beherrschung: »Wann haben Sie Ihren Schwager zuletzt gesehen?«
»Vorgestern. Ich war bis heute früh in Karlsruhe. Ich bin um vier aufgestanden, um rechtzeitig zu meinem Termin mit den Journalisten wieder da zu sein.«
»Gibt es Zeugen?«
»Sind Sie noch bei Trost? Brauch ich etwa ein Alibi? Natürlich hat man mich gesehen, ich kann Ihnen auch die Tankquittungen von der Autobahn raussuchen lassen, sie sind allerdings schon in der Buchhaltung.«
Das würde sich leicht überprüfen lassen. »Hat Ihr Schwager Sie über seine Pläne in Kenntnis gesetzt, zum Beispiel darüber, dass er zu dem fabelhaften Tierschutzhof unterwegs war?«
»Nein, das wusste ich nicht. Ich war auch, wie gesagt, nicht da.«
Plötzlich stürzte Frau Rosenthal aus dem Zimmer. Dabei hätte sie beinahe Frau Faschinger über den Haufen gerannt, die gerade die Botschaft überbringen
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