Mordsviecher
letzten hundertfünfzig Jahren hatten sich die Entwicklungen überschlagen, die Welt war unübersichtlicher denn je. Die wahren Werte existierten als seltsame Kurven an den Börsen. Werte, die gar nicht real waren. Wie sollte so ein kleines Affenhirn das verarbeiten können? Die Welt hatte sich verändert, doch der Mensch war nicht mitgekommen. Männer hatten keine Säbelzahntiger mehr zu jagen und Frauen keine Feuer mehr zu bewachen. Frauen steuerten Jumbojets, und Männer wickelten Babys, aber die Jetpilotinnen nahmen den Windelwickler doch nicht ernst! Er war ihnen einfach nicht sexy genug. Irmi musste einräumen, dass auch sie selbst dieser schizophrenen Weiberwelt angehörte: Klar wollte frau den soften Mann, der Kinder liebte, die Spülmaschine einräumte und Wäsche waschen konnte, ohne dass eine dunkle Socke die gesamte Weißwäsche verschleierte. Aber gleichzeitig sollte er mächtig sein, erfolgreich, strahlend, klug, auch humorvoll, immer souverän. Männer im dritten Jahrtausend waren arme Schweine. Und natürlich hatte Kathi recht: Stowasser musste aus dem Schatten seiner Frau heraustreten, im Werdenfels noch viel mehr als in einer Großstadt!
Irmi seufzte. »Ja, alles richtig, ich hab dich unterbrochen.«
»Also, lassen wir die Rosenthal mal kurz weg – beziehungsweise Geld als Motiv. Ob die ihren Schwager nicht doch gehasst hat, vielleicht auch, weil sie denkt, er hat ihre Schwester auf dem Gewissen, das müssen wir natürlich noch prüfen. Aber da sind noch weitere Leutchen, alle ziemlich langweilig. Designabteilung, nichts Spezielles. Die Buchhalterin nur Teilzeit, keine Unregelmäßigkeiten. Bis auf den da!« Kathi wies auf die Auszüge. »Das sind Kontoauszüge des Lagerleiters Fritz Lohmüller.«
Irmi starrte die Blätter an. »Eine Bank in Jungholz?«
Kathi nickte eifrig. »Ganz genau, Jungholz in meiner schönen Heimat Tirol. Eine deutsche und eine österreichische Postleitzahl! Mit einem Hausberg, auf dessen Gipfel vier Grenzlinien zusammentreffen von je zwei deutschen und zwei österreichischen Gemeinden: Bad Hindelang, Pfronten, Jungholz und Schattwald im Tannheimer Tal. In Jungholz ist alles etwas speziell, und Banken gibt’s eben auch und jede Menge Anreize für schwarzes und auch weißes Geld!«
»Woher hast du die Auszüge?« Irmi schwante nichts Gutes.
»Irmi, so genau willst du das nicht wissen. Meine alte Schulfreundin Bine lebt unterm Sorgschrofen und arbeitet in der Bank und ist eben eine alte Freundin, na, du weißt schon.«
»Puh!« Irmi rollte mit den Augen und studierte die Auszüge. Monatlich waren da zweitausend Euro Zusatzrente eingezahlt worden, und zwar von einer Lotteriegesellschaft in Wien.
»Na gut, ist ja logisch, dass die Lotterie auf ein österreichisches Konto überweist. Da sparen die sich die Gebühren.«
»Dachte ich zuerst auch, hab dann aber der Lotteriegesellschaft auf den Zahn gefühlt oder besser Andrea. Die ist da echt gut. Sie hat entdeckt, dass diese Gesellschaft gar nicht existiert und das Geld von KS -Outdoors kommt. Cool, oder?«
Noch cooler fand Irmi, dass Kathi tatsächlich Andreas Mitarbeit gelobt hatte. »Du willst also sagen, dass dieser Lagerleiter Geld bekommen hat, das nicht sein Gehalt ist?«
»Genau, sein Gehalt bekommt er wie jeder bei KS über die Buchhaltungsabteilung angewiesen. Das geht ganz ordentlich auf die Raiba nach Grainau, wo unser Herr Lohmüller wohnt. Zahlt übrigens nicht schlecht, der Schlafsackmo!«
»Lohmüller bezog also Schweigegeld?«
»Das würde ich ihn fragen wollen«, meinte Kathi.
»Ich auch! Aber denken wir mal weiter: Warum sollte er denn dann seine Geldquelle Stowasser töten?«
»Vielleicht hat er Stowasser erpresst? Und Stowasser wollte nicht mehr zahlen? Oder er wollte mehr. Das kommt bei Erpressern oft vor. Die kriegen den Hals nicht voll. Werden unvorsichtig. Streit? Unfall? Handgemenge?«
»Da sind wir aber wieder am Punkt mit dem Mambagift!«
»Also, wenn der Lohmüller bei dem Daunenbeschiss dabei war, dann kannte der gute Mann auch das Anwesen in Krün, über das die Daunen angeliefert wurden. Dann wusste der über die Vorliebe für eklige Kriechtiere Bescheid und hatte sicher auch eine gute Idee, wie er seinen Boss umbringen könnte.«
Auch das war typisch für Kathi. Schnell zu begeistern und zu entflammen, schnell war sie aber auch wieder auf einer neuen Fährte und steuerte ohne Wehmut neue Ufer an. Das galt bei Kathi für ihre Männer, ja, eigentlich für ihr ganzes Leben. In
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