Mordswald - Hamburgkrimi
Beutestück stolz und schwanzwedelnd durch die Gegend getragen. "War
das Schwert vielleicht so groß wie der Stock da?", fragte er.
Niels hob das Stück Holz auf und untersuchte es gründlich.
"Das ist Kastanie", erklärte er. "Ganz hart, riecht gut."
Er sah Max an. "Tut weh, wenn man wen damit haut."
Max wagte nicht, ihn noch einmal nach dem geheimnisvollen
Schwert zu fragen, aus Angst, Niels Hinrichsen könnte sich wieder verschließen
wie eine Auster.
"Niels, haben Sie den Mann gesehen, der das Schwert
hatte?", fragte er stattdessen vorsichtig.
Niels Hinrichsen umklammerte den Stock in seinen Händen.
"Da war Blut", sagte er. "Ganz viel Blut." Er starrte den
Stock an, seine Mundwinkel zuckten nervös.
"Und der Mann, der geschlagen hat? Der mit dem Schwert?
Hat der auch geblutet?", fragte Max, obwohl er wusste, dass das
wahrscheinlich nicht der Fall gewesen war.
Niels sah ihn an und schüttelte den Kopf. "Nee. Aber
böse war der." Er sah sich um, als fürchtete er, der Mann könnte hinter
dem nächsten Baum hervortreten. "Ganz, ganz böse. Noch böser als der andere."
"Wissen Sie, wie groß der böse Mann war?", fragte
Max. "War er so groß wie ich? Oder kleiner? Größer?"
Ratlos sah Niels ihn an, dann senkte er den Blick. "Weiß
nicht", sagte er leise.
"Das ist nicht schlimm, Niels", beeilte Max sich zu
sagen, "Sie haben mir schon ganz viel geholfen. Richtig toll haben Sie das
gemacht."
Scheu hob Niels den Kopf, und Max lächelte ihm freundlich zu.
"Der böse Mann war dick", erklärte Niels schließlich leise, als sei
er nicht sicher, ob das die Antwort war, die Max hören wollte.
Max runzelte die Stirn. Ein dicker Mann als Täter? Daniel
Vogler war so ziemlich das Gegenteil von dick. "Der Mann mit dem Schwert
war dick? Wie dick?"
Niels Hinrichsen sah sein Stirnrunzeln und blickte erneut zu
Boden. "Weiß nicht. Weiß gar nichts."
Nachdem die beiden Frauen sich wieder halbwegs beruhigt hatten,
machte sich ein verlegenes Schweigen zwischen ihnen breit. Lina wischte sich
die Tränen aus den Augen, und Katja Ansmann schnäuzte sich. Als ihre Blicke
sich begegneten, lächelten sie kurz und sahen schnell wieder weg. Lina fühlte
sich seltsam erleichtert, als sei eine riesige Last von ihr abgefallen, ohne
dass sie sich dieser Last je bewusst gewesen wäre. Dabei ruhte nun eine ganz
neue Bürde auf ihren Schultern: Die Mitverantwortung über das Wohl und Wehe des
Bankhauses Ansmann & Sohn. Bei dem Gedanken daran, dass sie, ausgerechnet sie Bankenretterin spielen sollte, musste sie erneut grinsen. Doch dann fiel ihr
Blick auf Katja Ansmann, die sich bereits wieder vollkommen im Griff hatte. Ihr
Make-up saß genauso perfekt wie immer, die weiße Bluse strahlte hell in dem
schummrigen Licht, und ihr Mund hatte wieder diesen leicht spöttischen Zug
bekommen. Auf der Stelle fand Lina wieder in die Realität zurück. Katja Ansmann
war eine Verdächtige in einem Mordfall. Oder zumindest eine Zeugin. Eine
Zeugin, die vielleicht wertvolle Hinweise geben konnte.
"Frau Ansmann, wo wir schon mal hier sitzen … Mich würde
interessieren, was für eine Beziehung Sie eigentlich genau zu Herrn Birkner
hatten."
Falls Katja Ansmann von dem Themenwechsel überrascht war,
ließ sie sich nichts anmerken. "Wir führten eine offene Beziehung",
erklärte sie, doch dieses Mal klang es weniger wie ein freizügiges Bekenntnis,
sondern eher wie eine hohle Phrase.
" Wie offen?", hakte sie nach. Als Katja Ansmann nicht
antwortete, seufzte sie. "Frau Ansmann, es geht hier nicht um Sie oder um
Ihre Beziehung zu Frau Riemann. Ich habe einen Mord aufzuklären, ob Sie's
glauben oder nicht."
Katja Ansmann hatte sich auf ihrem Stuhl zurücksinken lassen
und sah Lina an. "Philip und ich hatten gar keine Beziehung."
Irgendwie überraschte Lina das nicht. Schweigend legte sie
den Kopf schräg, wie Max es immer tat, wenn er die Menschen zum Reden bringen
wollte.
"Als ich ihn vor knapp drei Jahren kennenlernte, war ich
bereits seit einem Jahr mit Evelyn Riemann zusammen. Wir lieben uns, wir sind
ein Paar, aber wir können es uns nicht leisten, unsere Beziehung öffentlich zu
machen." Sie lachte bitter. "Ich weiß, was Sie denken, ich habe es
Ihnen schon letzten Sonntag angesehen, als Sie von Evelyn erfuhren. In Zeiten,
in denen sich niemand über schwule Bürgermeister oder Außenminister aufregt,
sollte doch kein Hahn danach krähen, wenn zwei Frauen sich offen zueinander
bekennen. Aber ich versichere Ihnen, dass es in der Wirtschaft
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