Mordswald - Hamburgkrimi
Überwachung verstehe ich etwas
anderes", murmelte Max leise.
Ein Kollege winkte ihren Wagen durch, nachdem Max ihm seinen
Ausweis gezeigt hatte, und die Feriengäste in Shorts und Sandalen lugten
neugierig in das Auto mit dem Hamburger Kennzeichen.
Das Ferienhaus der Birkners war unschwer an dem Polizeiwagen
davor zu erkennen, einem Einsatzwagen in silber-blauer Lackierung. In der
Auffahrt zum Haus parkte Lukas Birkners dunkelblauer BMW. Am Kofferraum prangte
ein Aufkleber des HSV. Fenster und Türen des Hauses waren verschlossen, die
Gardinen vorgezogen.
Vor einem Polizeiwagen mit Ostholsteiner Kennzeichen stand
ein kleines Grüppchen Uniformierter. Einsatzleiter Ralf Hansen aus Lütjenburg
begrüßte die Kollegen aus Hamburg mit kräftigem Handschlag. Er musterte das
ungleiche Paar mit hochgezogenen Brauen, wobei sein Blick eine Spur länger als
nötig an Lina mit ihren strubbeligen Haaren und dem leicht zerknitterten
T-Shirt hängen blieb, dann begrüßte er Klaus Birkner, der wie gebannt zum Haus
starrte.
Max deutete mit einem Kopfnicken auf das Polizeiaufgebot und
die Absperrung. "Was soll das denn?"
"Sicherungsmaßnahme", sagte der kräftig gebaute
Mann mit den kurz geschorenen Haaren knapp. "Damit niemand zu Schaden
kommt."
Max atmete tief ein, ganz tief, und langsam wieder aus. Falls
Lukas Birkner im Haus war, worauf der Wagen in der Auffahrt schließen ließ, und
falls er sich bisher noch nichts angetan hatte, konnte es gut sein, dass er das
jetzt nachgeholt hatte.
"Seit wann stehen Sie hier?", fragte er Ralf
Hansen.
"Seit etwa …", er sah auf die Uhr, "… zehn
Minuten."
"Haben Sie jemanden im Haus gesehen?"
"Negativ."
Max holte erneut tief Luft, dann wandte er sich an Klaus
Birkner. "Bitte geben Sie mir den Schlüssel."
"Ich komme mit."
"Nein."
"Das ist mein Haus, und ich habe ein Recht darauf."
"Nein. Herr Birkner, seien Sie vernünftig. Wir wissen
nicht, was uns darin erwartet. Bitte, warten Sie hier draußen." Er sah den
Mann ernst an, ohne jedoch etwas zu verbergen. Klaus Birkner erwiderte den
Blick, und schließlich zog er ein Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln aus der
Tasche. Er hielt ihn am Sicherheitsschlüssel fest und reichte ihn Max. Er
öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch dann senkte er nur stumm den Kopf.
Max ging zur Haustür, Lina folgte ihm wortlos. Er drückte auf
den Klingelknopf. Nichts rührte sich. Er klopfte an die Tür, und als sich immer
noch nichts regte, steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um.
Vorsichtig stieß er die Tür auf.
Sie standen in einer winzigen Diele. Rechts befand sich die
Küche, sie war leer. Zwei Schritten weiter führte eine steile, schmale Treppe
hinauf ins Dachgeschoss, geradeaus lag das Wohnzimmer. Ein kühler Luftzug wehte
in den stickigen Flur. Lina schob sich an Max vorbei. Ihr Blick fiel zunächst
auf das Sofa direkt neben der Tür, auf dem eine zerwühlte Wolldecke und zwei
zerknautschte Kissen lagen. Der Tisch war mit leeren Bierdosen, Chipstüten und
Kekspackungen übersät, auch auf dem Boden lag jede Menge Müll herum. Hinter dem
großen Panoramafenster lag ein kleiner Garten. Eine kleine Pforte verschloss
normalerweise den schmalen Durchlass in einer meterhohen Thujahecke. Jetzt
stand die Pforte offen, genau wie die Terrassentür.
Lina hatte Max noch nie so wütend erlebt, doch selbst jetzt
schien er sich vollkommen unter Kontrolle zu haben. Seine Stimme klang höflich,
kühl und distanziert, doch von seiner üblichen Freundlichkeit war nichts zu
merken.
"Ich hoffe um Ihretwillen, dass der Mann keine
Dummheiten macht", sagte er leise zu Ralf Hansen, der ihnen nachgekommen
war und entgeistert auf die offene Tür starrte.
"Aber …" Der Einsatzleiter schluckte herunter, was
immer er sagen wollte, als er Max' Blick sah.
"Und jetzt beenden Sie Ihre Sicherungsmaßnahme und schicken Ihre Leute
los. Alarmieren Sie die Küstenwache und Ihre Kollegen. Der Gesuchte ist
dreiunddreißig Jahre alt, etwa einsfünfundsiebzig groß und dick."
"Jawohl."
"Wo geht's da lang?", fragte Lina und deutete auf
die Gartenpforte.
"Zum Strand."
Max und Lina sahen sich kurz an und rannten los. Heftige
Windböen wirbelten Sand und abgerissene Blätter auf, und mittlerweile war es so
dunkel geworden, dass die Straßenlaternen flackernd ansprangen. Hinter der
Hecke verlief ein schmaler Fußweg, der nach wenigen Metern auf eine schmale,
asphaltierte Straße mündete. Lina schaute nach links und rechts. Ein
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