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Mordswald - Hamburgkrimi

Mordswald - Hamburgkrimi

Titel: Mordswald - Hamburgkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M. C. Poets
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Morgen
genau dieselbe Szene geschildert hatte. "Und wie hat Ihre Frau darauf
reagiert?", fragte sie leise.
    Birkner schüttelte den Kopf. "Sie hat die Tränen
heruntergeschluckt und gelächelt. 'Der Junge meint es doch nicht so.' Entweder
das, oder: 'Der Junge hatte einen schweren Tag, hat nicht darüber nachgedacht,
was er sagt, es war ein Versehen, ein Missverständnis.' Sie haben es ja vorhin
erlebt, Lukas nimmt sie genauso in Schutz. 'Lukas würde doch nie seine Frau
schlagen!'" Der letzte Satz triefte vor traurigem Spott.
    "Das heißt, Sie sind nicht überrascht?"
    Birkner schwieg lange. Inzwischen waren sie auf der Autobahn
Richtung Lübeck und kamen zügig voran. Der Himmel hatte sich zugezogen, grauen
Wolken hatten das Sommerblau vertrieben.
    "Nein. Man musste sich doch nur ansehen, wie er mit
Sonja umgesprungen ist. Nicht anders als Philip mit uns." Er seufzte
schwer. "Aber egal, was ich gegen Philip oder Lukas vorbrachte, Gisela
nahm die beiden immer in Schutz, vor allem Philip. Immer. Und nicht nur mir
gegenüber." Er holte tief Luft. "Wenn er früher andere Kinder
geschlagen hat, wenn es in der Schule Streit gab, wenn Philip und Lukas sich
prügelten – Philip war nie Schuld. Er lächelte meine Frau treuherzig an,
und sie glaubte ihm. Ausnahmslos. Es war zwecklos, mit ihr über Philip reden zu
wollen, sie verteidigte ihn mit Zähnen und Klauen."
    "Und Lukas?", fragte Max von vorne, als der Mann
schwieg.
    In einer hilflosen Geste hob Birkner senior die Schultern.
"Das habe ich nie begriffen. Philip hat ihn getriezt und gequält, aber
Lukas hat seinen älteren Bruder immer bewundert. Er war sein Held, und genau
wie meine Frau ließ er nichts auf Philip kommen. Vielleicht", fügte er
kopfschüttelnd hinzu, "lag das an den Brotkrumen, die Philip ihm hin und
wieder vorwarf. Ein Nachmittag auf dem Bolzplatz, ein Abend mit dem kleinen
Bruder in der Kneipe. Ein besonders teures Geschenk. Ein gönnerhaftes
Schulterklopfen. Das hatte ja schon ganz früh angefangen, schon in der Schule
hätte Lukas alles für Philip getan. Dafür durfte er dann ab und zu mit Philip
und seinen Freunden losziehen."
    "Sie meinen Julia Munz und die anderen?", fragte
Lina.
    Birkner nickte müde. "Dabei hat Philip seinem Bruder das
Mädchen ausgespannt, aber nicht mal das hat Lukas davon abgehalten, seinen
Bruder zu bewundern."
    Lina und Max wechselten im Rückspiegel einen Blick.
"Lukas und Julia Munz waren mal zusammen?"
    Der Mann nickte erneut. "Philip hat Julia sogar erst
über Lukas kennengelernt. Natürlich habe ich das alles damals gar nicht so
mitbekommen, ich habe ja noch gearbeitet, und in dem Alter erzählt man den
Eltern ja sowieso nichts. Aber Jahre später, bei irgendeiner Familienfeier, hat
Philip seinen Bruder einmal damit aufgezogen, dass er ihm damals die Freundin
ausgespannt hat." Erneut wandte er den Blick ab und schaute aus dem
Fenster.
    Lina dachte an das, was sie inzwischen über Julia Munz
erfahren hatte, und war sich sicher, dass das Mädchen sich ziemlich
bereitwillig hatte ausspannen lassen. Am Abend ihres Todes hatte sie mit
verschiedenen Jungs geflirtet – kurz nachdem sie sich von Philip Birkner
getrennt hatte. Doch Philip hatte für den Abend ein Alibi. "Können Sie
sich noch an den Abend erinnern, an dem Julia Munz getötet wurde?", fragte
sie leise.
    Birkner reagierte nicht, sondern hielt unverwandt den Blick
aus dem Fenster gerichtet. Auf seiner Stirn hatten sich erneut Schweißtropfen
gebildet, und er hatte seine Hände gefaltet, bis die Fingerknöchel weiß
hervortraten. Lina beugte sich ein winziges Stück zu ihm hinüber.
    "Ich habe an dem Tag meinen dreiundfünfzigsten
Geburtstag gefeiert, in Hohwacht", sagte er schließlich mit tonloser
Stimme. "Dort bin ich aufgewachsen, und seit dem Tod meiner Mutter nutzen
wir mein Elternhaus als Ferienhaus. Die Jungs waren beide dabei, das hatte ich
mir gewünscht." Lina merkte ihm an, dass seine Söhne diesem Wunsch nur
widerwillig nachgekommen waren. Mitten im Sommer mit den Eltern in ein piefiges
Kaff an der Ostsee? Wie scheiße war das denn! Aber es war nicht die
Verletztheit über die lustlose Anwesenheit der Söhne, die den Vater jetzt
bleich werden ließ wie eine Wand. Als er fortfuhr, musste Lina sich noch zu ihm
beugen, damit sie ihn verstand.
    "Am nächsten Morgen stellte ich fest, dass jemand in der
Nacht mit dem Auto gefahren war. Die Jungs hatten beide schon Führerschein, und
der Schlüssel hing am Schlüsselbrett. Ich weiß also nicht mit

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