Mordswald - Hamburgkrimi
der
angegebenen Adresse in Eimsbüttel war niemand zu Hause. Ich habe einen Nachbarn
aufgetrieben, der die Frau allerdings noch nie gesehen hat."
"Könnte natürlich sein, dass das mit der zurückgegebenen
Karte nur Show war", meinte Lina. "Die Zeuginnen meinten jedenfalls,
dass sich Birkner und die Unbekannte wohl kannten. Auf jeden Fall sind sie
ziemlich schnell sehr vertraut geworden." Sie nahm einen Schluck Kaffee.
"Und zum Schluss sind sie zusammen in stark angetrunkenem Zustand im Wald
verschwunden."
"Wann war das?"
"Gegen halb zwölf."
"Könnten die beiden nicht zusammen überfallen worden
sein, und nur die Frau konnte entkommen?", fragte Sebastian.
"Aber warum hat sie dann keine Hilfe gerufen?",
wandte Max ein.
"Vielleicht hat sie kein Handy?", schlug Sebastian
vor. "So was soll es geben."
"Aber irgendwann wäre sie in die Nähe eines Telefons
gekommen, so riesig ist das Niendorfer Gehege schließlich nicht. Und um diese
Zeit waren sicherlich noch Menschen auf der Straße."
"Oder sie liegt irgendwo tot oder verletzt im Wald, und
keiner hat sie bis jetzt entdeckt", sagte Lina.
Unbehagliches Schweigen breitete sich aus. "Kann ich mir
nicht vorstellen", sagte Max schließlich. "Das Niendorfer Gehege ist
ziemlich klein, stark frequentiert und es gibt so gut wie kein dichtes Unterholz,
jedenfalls nicht in der Nähe des Tatorts. Wenn sie verletzt im Wald liegen
würde, hätte man sie inzwischen bestimmt gefunden."
"Bleibt noch die Möglichkeit, dass sie Philip Birkner in
eine Falle gelockt hat", überlegte Hanno laut. "Sie hat sich in
dieser Kneipe an ihn herangemacht, ihn betrunken gemacht und in den Wald
gelockt, wo ihre Kumpane auf sie warteten."
"Und das Motiv?" Linas Frage hallte im Raum nach,
als keiner eine Antwort darauf hatte.
"Auftragsschläger? Russeninkasso?", spekulierte Sebastian
schließlich.
"Hm", machte Max.
"Wieso, ist doch alles schon vorgekommen."
"Aber die Frau passt da nicht rein", bekräftigte
Lina den Zweifel ihres Kollegen. "Nach den Beschreibungen, die ich in der Waldschänke
bekommen habe, sah die Frau nicht nach Russenmafia aus. Eher nach 'Ökotussi',
wie eine Angestellte meinte."
Hanno machte ein nachdenkliches Gesicht. "Max, versuch
weiter, diese Frau Fischer zu erreichen. Wenn wir Glück haben, ist sie unsere
Unbekannte. Lina, hast du dir die Liste mit den Vorbestellungen für den Abend
geben lassen?"
Lina nickte und ahnte schon, was jetzt kam.
"Gut, telefonier sie durch. Wenn wir Glück haben, sind
die beiden Frauen darunter, wenn nicht, kann jemand vielleicht eine gute
Beschreibung geben. Oder", meinte er säuerlich, "zumindest eine, die
mit einer der drei anderen übereinstimmt."
Lina sackte auf ihrem Stuhl zusammen. Irgendwelche Listen
abzutelefonieren hatte in der Regel etwa so viel Erfolg wie Lottospielen,
machte aber mehr Arbeit. "Das sind über vierzig Nummern", murmelte
sie leise, aber niemand meldete sich freiwillig, ihr dabei zu helfen.
Max sah auf die Uhr. "In einer Stunde geben die Kollegen
von der Pressestelle eine Erklärung raus. Sollen wir die Zeugin erwähnen und
sie bitten, sich zu melden?"
Hanno dachte kurz nach, dann schüttelte er den Kopf.
"Nein. Wenn sie wirklich nur Zeugin ist, wird sie sich hoffentlich melden,
sobald sie hört, dass es einen Toten gegeben hat. Vielleicht hat sie das noch
nicht mitbekommen. Wenn sie allerdings irgendwie mit drinsteckt, nützt auch die
Aufforderung, sich zu melden, nichts." Er machte eine kurze Pause.
"Wir müssen die U-Bahnhöfe in der Nähe überprüfen, ob die Videoaufnahmen
irgendwelche ausgeflippten Jugendlichen zeigen." Er schaute auf den großen
Stadtplan an der Wand gegenüber von seinem Schreibtisch. "Niendorf Markt
und Hagendeel. Ich kümmere mich darum, dass wir Kopien der Bänder bekommen.
Sobald die da sind, schaust du sie dir an, Sebastian. Bis dahin fragst du bei
den Kollegen von der Streife nach, ob denen irgendetwas aufgefallen ist. Gib
den Leuten auch gleich eine Beschreibung der Zeugin mit." Stirnrunzelnd
blickte er auf den Stadtplan.
"Und dann ist da ja auch noch die Sache mit der Pflanze.
Merkwürdige Geschichte, so was hab ich ja noch nie gehört." Er kratzte
sich am Kopf. "Bei diesem Niendorfer Gehege müsste es doch eigentlich so
etwas wie einen Förster geben. Max, du findest heraus, wer da zuständig ist,
und redest mal mit dem Menschen. Vielleicht kommt so was ja doch öfter vor, als
man denkt."
Hanno sah seine Kollegen über den Rand seiner Brille hinweg
an. "Was ist mit dem
Weitere Kostenlose Bücher