Mordswald - Hamburgkrimi
Umfeld des Opfers? Offensichtlich hat er ja seine
Lebensgefährtin betrogen. Weiß sie davon?" Er wandte sich direkt an Lina
und Max. "Was für einen Eindruck hattet ihr von Frau Ansmann?"
Lina und Max sahen sich an. "Für meinen Geschmack hat
sie sich etwas zu unberührt vom Tod Philip Birkners gezeigt", sagte Lina.
"Der Mann ist immerhin ihr Lebensgefährte und Vater ihres Sohnes."
Sie hob erneut die Schultern. "Und wenn er sie betrogen hat, hatte sie
auch ein Motiv."
Hanno kratzte sich am Kopf. "Nur, wenn sie davon
wusste."
"Ich weiß. Aber trotzdem …"
"Hast du ihr Alibi überprüft?", fragte Hanno.
"Nein, noch nicht. Aber irgendwie habe ich ein blödes
Gefühl bei der Frau. Mit der stimmt was nicht."
"Ja, ja, das Bauchgefühl", murmelte Sebastian, und
Lina verdrehte die Augen. Natürlich hatte jeder Ermittler ab und zu ein komisches Gefühl .
Manchmal erwies es sich als richtig, manchmal nicht. Nur ihr gegenüber tat
Sebastian so, als sei das nichts als eine ihrer Macken.
Hanno beendete die Diskussion. "Lina, wenn dir so viel
daran liegt, dann kannst du der Sache ja nachgehen. Überprüf ihr Alibi."
Er grinste. "Und dein Bauchgefühl."
"Ja, mein Herr und Meister", murmelte Lina, aber so
leise, dass nur Max es hörte. Der grinste.
"Und wie sieht es sonst mit irgendwelchen persönlichen
Feinden aus? Irgendwelche alte Schulden? Offene Rechnungen", fragte der
Chef.
"Frau Ansmann hat uns den Rat gegeben, einen früheren
Mitarbeiter von Philip Birkner mal genauer unter die Lupe zu nehmen: Frank
Jensen." Max berichtete kurz, was er bisher über das Ende von Birkners
Firma erfahren hatte. "Jensen ist ihrer Aussage nach für die Insolvenz
verantwortlich gewesen. Birkner hat ihm natürlich ein schlechtes Zeugnis
ausgestellt, weswegen er jetzt arbeitslos ist."
Hanno sah ihn stirnrunzelnd an. "Und das soll ein Motiv
für einen Mord sein?", fragte er zweifelnd.
Max zuckte die Schultern. "Du hast nach offenen
Rechnungen gefragt. Das scheint eine zu sein."
Hanno stöhnte leise. "Sei vorsichtig, was du dir
wünschst. Es könnte in Erfüllung gehen."
5
W ieso muss eigentlich immer
ich die Arschkarte ziehen?", fragte Lina, ohne aufzublicken, als Max sich
mit einem Becher Tee in der Hand auf seinen Platz setzte. Der Schreibtischstuhl
knarzte vernehmlich.
"Weil du die Jüngste bist. Im Übrigen ist Sebastian auch
nicht besser dran. Streife fragen und Videos ansehen. Du darfst dich immerhin
noch um deine Lieblingsfeindin kümmern." Er blies über den dampfenden Tee,
um ihn abzukühlen.
"Sie ist nicht meine Lieblingsfeindin."
"Aber du hättest es gerne, wenn du ihr irgendetwas
anhängen könntest." Max schüttelte den Kopf. "Was hast du bloß gegen
die Frau? Nur, weil sie offensichtlich Geld hat, muss sie doch kein schlechter
Mensch sein. Auch wenn sie dir vielleicht nicht sympathisch ist." Er nahm
einen Schluck von dem Tee. Lina stieg der Geruch von Kräutern in die Nase,
Pfefferminze, Zitronenmelisse und noch irgendetwas, das sie nicht
identifizieren konnte. "Gibt es überhaupt irgendwelche Leute mit Geld, an
denen du nichts auszusetzen hast?"
Lina blickte auf und sah ihn stirnrunzelnd an. "Wie
kommst du denn darauf? Unsinn!"
"Na ja, beim Fall Schmehl war es ähnlich, und als wir voriges
Jahr in Duvenstedt ermittelt haben, in dieser Villa, war es genauso."
"Zufall", sagte Lina und wandte sich den Kopien mit
den Kartenvorbestellungen zu, die sie in der Waldschänke erhalten hatte.
"Ist vermutlich wirklich nur so ein Gefühl. Eins von den falschen",
fügte sie mit einem schiefen Lächeln hinzu. Sie schnappte sich das Telefon und
wählte die erste Nummer auf der Liste, ehe Max noch weiter auf dem Thema
herumreiten konnte.
Die ruhige Wohnstraße in Hamburg-Eppendorf lag in unmittelbarer
Nähe zum Universitätskrankenhaus. Kleine Reihenhäuser und Doppelhäuser, unter
die sich hin und wieder ein größeres Einfamilienhaus aus den zwanziger Jahren
des letzten Jahrhunderts mischte. Kastanien säumten die schmale Einbahnstraße,
von der nahen Hauptverkehrsstraße wehte der Autolärm herüber. Halb fünf am
Freitagnachmittag, der Feierabendverkehr hatte seinen Höhepunkt erreicht.
Das Haus, in dem Frank Jensen wohnte, entpuppte sich als
Doppelhaushälfte mit weißer Fassade. Ein Erker mit schmutzigen Fensterscheiben
ragte in den ungepflegten Vorgarten. Der Stellplatz vor dem Haus war leer, das
Garagentor verschlossen, im Briefkasten steckte die Werbung eines
Pizzaservices. Max Berg klingelte. Er hörte es im
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