Mordswald - Hamburgkrimi
sich nicht vorstellen, wie die Lehrer ihn
uns ständig als leuchtendes Vorbild hingestellt haben, vor allem, wenn er mal
wieder irgendeinen Mathewettbewerb gewonnen hatte. Furchtbar." Er zuckte
die Achseln. "Und der ist in der Firma von meinem Bruder gelandet?
Witzig." Doch Lina sah ihm an, dass es ihn wurmte, nichts davon gewusst zu
haben. Wo er doch der Vertraute seines Bruders war.
"Fallen Ihnen vielleicht die Namen von Mitschülern ein,
mit denen Daniel Vogler befreundet war?", fragte Max.
"Keine Ahnung, ich glaube, der hatte gar keine
Freunde." Lukas Birkner hob die Schultern. "Der blieb lieber für
sich. Hat sich meistens abgesondert."
"Diese Party, in deren Anschluss Julia Munz getötet
wurde – waren Sie eigentlich auch da?"
Lukas Birkner schüttelte den Kopf. "Nein. Philip und ich
waren mit unseren Eltern in Hohwacht. Unser Vater hat in unserem Ferienhaus Geburtstag
gefeiert, da mussten wir mit."
Max nickte und sah Lina fragend an. Sie schaute auf ihre
Notizen. "Herr Birkner, wissen Sie vielleicht, was aus den anderen
Mitgliedern Ihrer Clique geworden ist? Wissen Sie, ob die alle noch in Hamburg
leben?"
Birkner runzelte nachdenklich die Stirn. "Christian hat
nach dem Zivildienst angefangen, zu studieren, Verfahrenstechnik oder so was.
Der müsste ja inzwischen fertig sein. Maike ist zum Studieren in die USA
gegangen, von der habe ich ewig nichts mehr gehört. Und die anderen beiden
…" Er hob die Schultern. "Keine Ahnung, was aus denen geworden ist.
Verstehen Sie, die waren ja auch alle ein Jahrgang über mir. Bei Klassentreffen
oder so etwas war ich natürlich nie dabei."
Kurz darauf standen Max und Lina draußen auf der Straße. Sie
gingen ein paar Schritte bis zur belebteren Hauptstraße, in der sie einen
Parkplatz gefunden und Lina eine Bäckerei entdeckt hatte.
"Was hätte Frau Birkner uns wohl erzählt, wenn ihr Mann
nicht dabei gewesen wäre?", sagte Lina kauend, während sie mit einem
Croissant in der einen und einem Kaffee in der anderen Hand zum Auto gingen.
Max drückte auf die Fernbedienung, und das Auto vor ihnen blinkte auf.
"Irgendetwas über Daniel Vogler", fuhr Lina fort.
"Und über Philip. Sie scheint nicht immer bei allem mit ihrem Mann einer
Meinung zu sein."
Max nickte. "Aber sie will nicht, dass ihr Mann etwas
mitbekommt." Sie sahen sich an. "Ob sie wohl von sich aus
anruft?" Sie hatten, wie immer, ihre Visitenkarten hinterlassen, mit der
Bitte, sich zu melden, wenn ihnen noch etwas einfiel.
"Ich glaube nicht. Sie hat meine Karte seit
Montag." Lina sah sich um. "Wohnt Frank Jensen nicht hier ganz in der
Nähe?"
Max nickte. "Fragen wir ihn doch mal, ob er wusste, dass
Birkner und Vogler sich kannten."
Keine fünf Minuten später standen sie vor der Doppelhaushälfte
in der ruhigen Seitenstraße. Es sah genauso trist aus wie beim letzten Mal,
doch Frank Jensen öffnete beim ersten Klingeln die Tür, frisch rasiert und in
sauberer Kleidung. Lina musste ein erstauntes Gesicht gemacht haben, denn er
zuckte die Achseln und sagte: "Kaum zu glauben, ich weiß." Wie beim
ersten Mal verschwand er einfach im Haus, ohne sich darum zu kümmern, ob seine
Besucher ihm folgten oder nicht.
Im Haus roch es nach Putzmitteln, durch die offene
Wohnzimmertür sah Lina zwei Umzugskartons, an der Wand lehnte ein Besen, davor
ein halbvoller Müllsack. Die Küche war ordentlich aufgeräumt und sauber, der
kleine Campingtisch und ein Hocker waren jedoch nach wie vor die einzige
Einrichtung.
Frank Jensen hob bedauernd die Schultern. "Tut mir leid,
dass ich Ihnen keinen Platz anbieten kann. Meine Frau hat alles mitgenommen,
als sie ausgezogen ist." Doch statt sich wie beim letzten Mal auf den
einzigen Platz zu setzen, blieb er diesmal ebenfalls stehen. "Haben Sie
mein Alibi inzwischen überprüft?"
Max nickte. "Ja." Dass er damit noch nicht
vollkommen entlastet war, erwähnte er nicht.
"Und? Wo war ich?", fragte Jensen und probierte ein
Grinsen. Als er keine Antwort erhielt, hob er verlegen die Schultern.
"Blöde Frage, dürfen Sie mir vermutlich nicht erzählen. Aber ganz ehrlich,
ich kann mich immer noch nicht erinnern."
Max sagte ruhig: "Sie waren in einer der Kneipen, die
Sie uns genannt haben."
Lina sah sich demonstrativ um. "Hier hat sich ja einiges
getan", stellte sie fest und lächelte Jensen freundlich zu. "Geht's
wieder bergauf mit Ihnen?"
"Wie man's nimmt", entgegnete der Mann. Er fuhr
sich mit den Fingern durchs Haar, eine fahrige Geste, die Lina an das Häufchen
Elend
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