Mordswald - Hamburgkrimi
wird. Sie meldet sich wieder."
Nachdenklich wippte Max in seinem Stuhl. "Angenommen, Markman Solutions hat tatsächlich jemanden mit diesem Patentdiebstahl beauftragt, dann wäre es
natürlich nicht ungeschickt, die Bezahlung in mehrere kleine Raten
aufzuteilen." Er verzog das Gesicht. "Aber ausgerechnet auf zwanzig
Beraterfirmen? Es müsste doch klar sein, dass das bei einer Überprüfung
auffällt."
Lina zuckte die Achseln. "Ist es bisher ja nicht. Und
wenn ich nicht nachgefragt hätte … gut möglich, dass die Akte auf ewig im
Stapel unerledigter Fälle verschwunden wäre. Du weißt doch, wie dünn die
Personaldecke ist."
Und wie gering die Erfolgsaussichten waren. Rund vierzig
Prozent der deutschen Unternehmen wurden pro Jahr Opfer eines
Wirtschaftsdelikts, doch oft genug konnten die Täter ihre Spuren so verwischen,
dass man ihnen trotz hinreichendem Verdacht nichts nachweisen konnte, und die
Ermittlungen verliefen im Sande.
"Auf jeden Fall", sagte Lina nachdenklich,
"passt es zu der Geschichte, die Vogler uns erzählt hat. Die angeblichen
Pokergewinne, mit denen er die Wohnung finanziert haben will, könnten in
Wirklichkeit die als Honorare getarnten Zahlungen von Markman Solutions sein." Sie
schnippte mit den Fingern. "Jetzt fällt's mir wieder ein. Schon als wir
mit ihm gesprochen haben, hatte ich ein merkwürdiges Gefühl, irgendetwas hakte
da. Das war's! Daniel Vogler sagte, er hätte das Geld durch Pokern gewonnen,
Franziska Leyhausen hingegen meinte, er hätte die Wohnung durch eine Erbschaft
finanziert." Sie erzählte Max, dass sie sich kurz mit Frau Leyhausen
darüber unterhalten hatte.
"Könnte sie sich nicht geirrt haben?", fragte Max
zweifelnd.
"Schon möglich, kann aber auch sein, dass Daniel Vogler
nicht mehr weiß, was er ihr erzählt hat. Oder vielleicht war er damals noch
nicht auf die Legende mit den Pokergewinnen gekommen."
"Wenn es denn eine Legende ist", entgegnete Max.
"Wie gesagt, Pokergewinne aus dem Internet sind illegal, da würde er doch
wohl nicht ausgerechnet diese Methode wählen, um sein Honorar für die
Industriespionage zu waschen."
Lina zuckte die Achseln. "Oder gerade deswegen, weil es
so absurd ist. Die Wahrscheinlichkeit, dafür belangt zu werden, geht vermutlich
gegen null. Und wie hoch ist das Strafmaß?" Sie tippte kurz etwas in ihren
Computer ein. "Bis sechs Monate Haft oder 180 Tagessätze. Na super. Das
schreckt ja richtig ab." Sie sah Max an. "Und es würde gut zu den
Zahlungen von Markman
Solutions an verschiedene Beraterfirmen passen. Es handelt sich in der
Regel um Beträge zwischen zehntausend und zwanzigtausend Euro. Zwanzig solcher
Raten, und die Wohnung ist halb abbezahlt."
Max wirkte nicht überzeugt. "Und beim Pokern kann man so
viel gewinnen?"
"Wer weiß? Vergiss nicht, Daniel Vogler ist ziemlich gut
in Mathe."
Sie wollten gerade Feierabend machen, als sich die Kollegen
meldeten, die Voglers Wohnung überwachten. Die Zielperson sei soeben mit dem
eigenen Auto eingetroffen und in seine Wohnung gegangen. Sebastian war bereits
weg, also schickte Hanno Alex mit einem Team der Spurensicherung los, um
Voglers Wohnung zu durchsuchen. Kurz darauf lieferten zwei Kollegen von der
Schutzpolizei den Verdächtigen im Präsidium ab. Der pünktliche Feierabend blieb
somit ein Traum.
Daniel Vogler blickte nicht auf, als Lina und Max das
Vernehmungszimmer betraten, sondern besah sich interessiert seine Fingernägel,
als hätte er sie schon länger nicht mehr angeschaut und ganz vergessen, dass
sie da waren.
"Guten Abend, Herr Vogler", sagte Max, als er dem
Mann gegenüber Platz nahm. Lina murmelte einen kurzen Gruß, als sie sich neben
ihn setzte.
Vogler hob nicht einmal den Kopf und sagte auch nichts.
"Wir haben ein paar Fragen an Sie." Max lehnte sich
zurück und sagte: "Wo waren Sie heute?"
"Bei meiner Großmutter."
"Den ganzen Tag?"
"So gut wie." Erst auf Nachfragen erklärte er mit
monotoner Stimme, dass seine Großmutter allein im südlichsten Zipfel des
Hamburger Stadtgebiets wohnte. "Sie ist krank, ich besuche sie häufiger
und sehe nach dem Rechten. Meine Eltern sind beide tot, ich bin ihr einziger
Angehöriger", fügte er erklärend hinzu.
"Und wo waren Sie letzten Dienstagabend?", fragte
Max.
"Zu Hause. Ich habe gearbeitet."
"Waren Sie wieder im Rechenzentrum der Uni
eingeloggt?"
"Exakt." Daniel Vogler klang gelangweilt.
"Haben Sie mit Franziska Leyhausen gesprochen oder sie
gesehen?"
"Nein."
Max ließ ein paar Sekunden verstreichen,
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