Mordswald - Hamburgkrimi
kann
ich selbst nur raten, was diese Begriffe bedeuten, obwohl ich sie während des
Studiums schon einmal gehört habe. Aber es wundert mich, dass ein Informatiker
sich mit so etwas beschäftigt. Wenn mich nicht alles täuscht, ist das
mathematische Grundlagenforschung und hat mit dem, was er bei Inoware gemacht hat, etwa so viel zu tun wie die Entwicklung von Raumfähren mit dem
Fahren eines Kleinwagens."
"Daniel Vogler ist ja nicht nur Informatiker, sondern
auch Mathematiker", sagte Lina.
"Ja dann …" Jensen zuckte die Schultern. "Umso
seltsamer, dass sich ein Mathematiker in Philips kleine Firma verirrt
hat."
Max und Lina sahen sich erneut an. "Nachdem Sie erfahren
haben, dass die beiden zusammen zur Schule gegangen sind", fragte Max,
"ist das Thema da eigentlich noch einmal zur Sprache gekommen?"
"Nicht, dass ich wüsste." Jensen schüttelte den
Kopf.
"Könnten vielleicht andere Kollegen etwas wissen? Aus
kurzen Pausengesprächen, vom Bier nach Feierabend, irgendso etwas?"
Jensen zog ein nachdenkliches Gesicht. "Bei Daniel kann
ich es mir überhaupt nicht vorstellen, der war der klassische Eigenbrötler.
Blieb meistens für sich, hat selten mal was Persönliches mit den Kollegen
geredet. Aber Philip, der war ein Kommunikationstalent, hatte Charme, konnte
alle in null Komma nichts für sich einnehmen. Gut möglich, dass er jemandem
davon erzählt hat." Dann hellte sich seine Miene auf. "Versuchen Sie
es mal bei Tanja, Tanja Fischer. Sie war das Mädchen für alles, sprich die
Sektretärin, nannte sich aber Assistenz der Geschäftsleitung, weil sich das
nach mehr anhört. Sie und Philip verstanden sich gut." Er machte eine
kurze Pause. "Ungewöhnlich gut. Jedenfalls, bis Philip sich an die Ansmann
ranmachte."
15
A uf dem Weg zum Präsidium
sagte Lina: "Diese Clique damals, von Julia und Philip, ich glaube, die
sollten wir uns einmal genauer anschauen."
"Wie kommst du darauf?" Mit ruhigen Bewegungen
lenkte Max den Wagen durch den einsetzenden Feierabendverkehr. "Sind nicht
die meisten Jugendlichen in irgendwelchen Cliquen?"
Lina warf ihm einen raschen Seitenblick zu. "Daniel
Vogler hat offensichtlich nirgendwo dazugehört. Und Sonja Birkner auch nicht,
jedenfalls nicht zu der Clique. Das hat sie mir am Montag erklärt", fügte
sie hinzu, als Max sie fragend ansah.
"Die Clique und der Einzelgänger. Ist das nicht eine
typische Grundkonstellation für Mobbing unter Schülern?" Max blinkte und
bog auf den Parkplatz vor dem Polizeipräsidium ein. "Aber Lukas Birkner
würde natürlich niemals zulassen, dass auch nur der Hauch eines Schattens auf
Philips leuchtendes Bild fällt."
"Wenn diese Clique Daniel Vogler damals tatsächlich
gemobbt hat, hätte der auf jeden Fall einen guten Grund, um auf Philip Birkner
sauer zu sein", schloss Lina. "Wer weiß, was für Rachegelüste er all
die Jahre mit sich herumgeschleppt hat."
"Aber laut Frank Jensen hat man vor zwei Jahren nichts
davon gemerkt."
Lina zuckte die Achseln. "Vielleicht hat Vogler sich
einfach nur gut unter Kontrolle?"
Doch Daniel Vogler schien spurlos verschwunden zu sein. Alex
und Sebastian hatten ihn weder bei der Arbeit noch in seiner Wohnung
angetroffen, und Hanno ließ beide Orte unauffällig überwachen.
Als Max sich mit einem Becher Tee an seinen Platz setzte, war
Lina gerade in ein Telefongespräch vertieft.
"Und was hast du herausgefunden?", fragte sie
interessiert, einen Stift in der Hand. Sie hörte zu, sagte ab und zu "Ach
ja?" oder "hm" und machte sich hin und wieder Notizen.
Schließlich sagte sie: "Und das ist ungewöhnlich? … Okay, ich verstehe …
ja, ja, mach ich, auf jeden Fall. Danke!" Sie legte auf und sah Max an.
"Das war Marita Schön", erklärte sie, "die
Kollegin vom Dezernat für Wirtschaftsdelikte. Sie hat sich die Akte von Markman Solutions noch mal genauer vorgenommen, und ihr ist aufgefallen, dass diese Firma
auffallend viele Unternehmensberatungen engagiert hat. Insgesamt zwanzig im
Verlauf von eineinhalb Jahren."
Max stieß einen leisen Pfiff aus. "Wenn Markman Solutions eine Privatperson wäre, würde ich sagen: eindeutig übertherapiert." Er
nippte an seinem heißen Tee. "Aber warum ist das erst jetzt aufgefallen?
Die Akten liegen doch schon länger bei den Kollegen von der Wirtschaft,
oder?"
"Weil Marita ganz allein daran sitzt." Lina zuckte
die Achseln. "Der Fall hatte keine besonders hohe Priorität, jedenfalls
bis jetzt nicht. Marita sagt, dass sie die Beraterfirmen mal genauer unter die
Lupe nehmen
Weitere Kostenlose Bücher