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Mordwoche (German Edition)

Mordwoche (German Edition)

Titel: Mordwoche (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Wierlemann
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Italo-Schwaben. Man hatte den Eindruck, dass die Felices in ihrem Restaurant gern etwas südländisches Flair verbreiteten. Das allerdings hatte sich über die Jahrzehnte, die sie nun schon hier in Bärlingen lebten, abgenutzt und ließ sich auch nicht so leicht während des jährlichen Urlaubs in der „Heimat“ rekultivieren.
     
    Bislang hatte sich Frau König eingebildet, dass sie sich auf jeden ihrer Kunden einstellen konnte, egal wie schwierig er war. Sie traf meistens den richtigen Ton und wusste, wann sie nur zuhören sollte und wann es ihrer Kundschaft gut tat, dass sie sich einfühlsam nach ihrem Befinden erkundigte. Bei dem Fremden war Gerda König ratlos. Er lächelte ihre Fragen einfach weg. Der verschwieg doch absichtlich etwas! Gerda fiel auf, dass der Italiener ungewöhnlich gepflegte Hände hatte. Das sah man nicht oft bei Männern. Hart musste der Fremde jedenfalls nicht arbeiten, sonst sähen seine Hände nicht so aus. Ein Mann bei der Maniküre, das war auch eher ein seltenes Ereignis in Bärlingen. Gerda König musste ihren Kunden irgendwie aus der Reserve locken und herausbekommen, was er im Schilde führte. An der Kasse zückte die Chefin ein leeres Blatt aus der Kundenkartei. Damit würde sie ihn bekommen! Im Salon König hatte jeder Kunde eine eigene Karte im Stammkundenregister. So konnten die Angestellten auf einen Blick sehen, welche Tönung beispielsweise das letzte Mal verwendet wurde oder ob irgendwelche Allergien vorlagen. Hier vermerkte man auch, wie die Kundin ihren Kaffee wünschte, während sie die Dauerwelle einwirken ließ, mit oder ohne Zucker.
     
    Stefano Zanolla hatte es schon fast bereut, zum Friseur gegangen zu sein. Seine freie Zeit hätte er sich auch anderweitig vertreiben können. Hier wurde man schon fast als Familienmitglied angesehen, wenn man nur einen neuen Haarschnitt bekam. Und jetzt wollte die Chefin auch noch seinen Namen samt Telefonnummer, um ihn in den Kreis der Stammkunden aufzunehmen. Sollte er der netten Dame etwa sagen, dass er garantiert zum ersten und zum letzten Mal in ihrem Laden war? Und dass er keine Lust hatte, Rechenschaft darüber abzulegen, was er in diesem Provinznest wollte. Er war schließlich nicht zum Spaß hier. Wenn es nach ihm ginge, dann hätte ihm sein Kumpel Adriano auch lieber einen Job in einer größeren Stadt vermittelt. Dort hätte er wenigstens noch ein wenig durch die schicken Geschäfte bummeln können. Hier auf dem Land reichte es den Leuten anscheinend, sauber gekleidet zu sein. Eleganz gehörte nicht zum Vokabular der einheimischen Männer, das hatte er bei seinem Besuch im Venezia vorhin gesehen. Wie konnte man nur so nachlässig sein? Das erste, was die anderen sahen, war doch una bella figura . Niemand hatte die Chance auf einen zweiten Eindruck. Kein Wunder, dass die deutschen Frauen mit den Komplimenten der einfachsten Sorte glücklich zu machen waren, wenn sie in Heerscharen in der warmen Sonne Siziliens am Strand lagen und ihre bleichen und oft unförmigen Leiber präsentierten. Die Schamgrenze verlief offensichtlich nördlich und südlich der Alpen an einer anderen Stelle. Die Nachbarinnen aus dem Norden waren eine leichte Beute für die jungen Einheimischen, die hier an ihrem Repertoire windiger Komplimente feilten.
     
    Die Chefin hatte ihren Kugelschreiber in der Hand und sah den Fremden erwartungsvoll an. Wie er heiße und wo er wohne. Stefano Zanolla wollte sich auch nicht unnötig verdächtig machen. Deshalb tat er der guten Frau den Gefallen und ließ sich gleich noch ein Hotel hier in der Stadt empfehlen. Gerda König musste nicht lange überlegen. Ihr Schwager, Ottos Bruder, führte zusammen mit seiner Frau den Goldenen Hirsch. Das Hotel lag zentral in der Innenstadt und war das erste Haus am Platze. Um diese Jahreszeit waren sie immer froh über Kundschaft. Bärlingen sah zwar auch im Schnee zauberhaft aus, wenn die stattlichen Bürgerhäuser rund um den alten Marktplatz weiß gepuderte Dächer hatten, aber die meisten Touristen kamen im Sommer, wenn sie sich überhaupt hierher in die schwäbische Provinz verirrten.
     
    Frau König verabschiedete den Italiener noch an der Tür und schaute ihm nach wie er in sein Auto stieg und davonfuhr, nicht allerdings ohne sich das Nummernschild zu merken. Sicher war sicher. Anschließend machte sie sich auf die Suche nach ihrem Mann. Otto König saß immer noch in der Kaffeeküche. Es ging ihm schon wieder besser. „Und, ist der Fremde jetzt weg? Hast du noch was

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