Mordwoche (German Edition)
wenig zu ihrem Mann herunter und konnte es kaum glauben, was er ihr da aufgeregt berichtete. „Ja hört das denn gar nicht auf heute!“, entfuhr es ihr. „Was machen wir denn jetzt, Gerda?“ „Weißt du was, ich ruf schnell den Schorsch an, der hat mir extra seine Handy-Nummer gegeben, für alle Fälle. Ich glaube, jetzt haben wir so einen Fall.“ Gerda König nahm das Telefon aus ihrer Arbeitsschürze, die sie um die Hüften trug und in der sie ihre Scheren und Kämme jederzeit griffbereit zur Hand hatte. „Da geht nur die Mailbox dran. Der kann uns jetzt auch nicht helfen. Pass auf, ich hab’s. Die Fernseh-Kommissare sorgen doch als erstes dafür, dass alle Spuren gesichert werden. Das machen wir jetzt einfach auch so.“
W enn sie es bislang nicht wahrhaben wollte, spätestens jetzt fühlte sich Gerda König, als ob sie die Hauptrolle in einem Krimi spielte. Vielleicht liefen hier im Salon die Fäden eines Kriminalfalles zusammen, der nur mit ihrer Hilfe gelöst werden könnte. „Otto, sorg’ du dafür, dass die Kaffeetasse von unserem Pistolero nicht in die Spülmaschine wandert, sondern steck’ sie in eine Plastiktüte. Fass’ sie aber nur mit einem Taschentuch an!“ Gerda König wusste, was zu tun war. Das hatte sie oft genug am Sonntagabend im Fernsehen gesehen. Otto König verschwand, um seine kriminalistische Mission zu erfüllen und Gerda nahm ihre Utensilien für die Maniküre zusammen und begrüßte den Fremden. Als erstes suchte sie ihm den Frisierumhang ab, den er immer noch trug. Otto hatte zwar den Haarschnitt beendet, war dann aber von Herrn Ebert unterbrochen worden und hatte den Umhang völlig vergessen.
Die Entdeckung der Pistole hatte Otto König doch stärker mitgenommen, als er es sich eingestehen wollte. Die Kaffeetasse des Fremden hatte er nach Anweisung seiner Frau verstaut und hatte sich danach an den kleinen Tisch in der Kaffeeküche gesetzt. Dass Gerda in dieser Situation so überlegt handeln konnte! Otto wusste genau, warum er seinen Beruf mochte. Hier machte man die Menschen glücklich. Selbst wenn sie mit schlechter Laune hereinkamen, sie gingen alle gut frisiert und heiter aus dem Salon wieder hinaus. Otto liebte es, seinen Kunden eine kleine Auszeit vom Alltag zu ermöglichen, eine neue Frisur oder ein akkurater Haarschnitt wirkten oft Wunder. So manch teure Arztkonsultation, das hatte ihn seine lange Berufserfahrung gelehrt, könnte auch durch einen Besuch beim Friseur ersetzt werden. Optische Optimierung statt Pillen und Skalpell. Seine Kunden wussten das zu schätzen und kamen gern.
Otto stützte den Kopf in di e Hände und seufzte. Was hatte dieser Fremde hier zu suchen? Und was wollte er mit der Waffe? Sobald dieser Wahnsinn vorbei war, würde er den Laden für ein paar Tage zumachen, sich seine Frau schnappen und in den Urlaub fahren. Egal wohin, Hauptsache weg.
Den Frisierumhang des Fremden faltete Gerda so zusammen, dass die restlichen Haare eingeschlagen waren und legte ihn beiseite und nicht wie sonst üblich in den Wäschekorb. Vielleicht brauchte die Polizei eine Haarprobe von diesem Verdächtigen, um ihm vielleicht seinen Drogenkonsum nachzuweisen. An ihr sollte es jedenfalls nicht scheitern, wenn es um die Verhaftung dieses Ganoven ging. Dass Verbrecher allerdings so gut aussahen, überraschte die Friseurin. Sie hatte immer gedacht, dass die Bösen auch gemein aussahen. Finstere Gesellen, pockennarbig und grobschlächtig. Dieser Adonis hier auf dem Stuhl hätte jeder Werbeanzeige für ein exklusives Herrenparfum oder einem Modemagazin entstiegen sein können. Gerda ertappte sich bei der Vorstellung wie der Italiener sich wohl als Unterwäsche-Model machen würde. Die Friseurin schüttelte den Kopf wie um diese Gedanken zu verscheuchen. Wickelte der Bursche sie jetzt etwa auch schon um den Finger? Ihre Angestellten hatten aufgeregt getuschelt und die Kundinnen fanden anscheinend immer noch kein Interesse an den ausgelegten Magazinen und betrachteten stattdessen den schönen Fremden im Spiegel. Na warte, Bürschchen, was du kannst, das kann ich schon lange, dachte Gerda König und begann mit der Nagelpflege.
Sie bemühte sich, mit dem Fremden ins Gespräch zu kommen. Und sie scheiterte. Das lag aber keineswegs daran, dass der Italiener sie nicht verstanden hätte. Der Fremde sprach gut Deutsch, mit dem gleichen Akzent wie Valentina Felice und ihr Mann. Nur wirkte es bei diesem attraktiven Mann charmant und nicht so bewusst kultiviert, wie bei den
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