Mordwoche (German Edition)
böte. Immerhin hatte Karl Merz oft genug erwähnt, dass er seinem Leiden ein Ende bereiten würde, sobald es für ihn unerträglich geworden wäre. Dr. Michael wusste von den Zyankali-Kapseln. Er selbst hatte seinem Patienten die Sterbehilfe versagt und wollte ihm auch nicht bei der Beschaffung des Giftes behilflich sein. Im Totenschein würde der Mediziner vermerken, dass es sich bei dem vorliegenden Fall um einen nicht natürlichen Tod handelte, der aber selbst und aus freiem Willen herbeigeführt worden war.
Die Rolle der trauernden Witwe würde Elfi gut gefallen. Das war ganz großes Theater. Und jeder würde ihr glauben, dass sie litt. Schließlich hatte sie den Schwerkranken jahrelang bei seinem Martyrium begleitet, ihre eigenen Bedürfnisse zurückgestellt und musste jetzt zwangsläufig in ein tiefes schwarzes Loch der Verzweiflung fallen. Elfi würde die Wünsche ihrer Zuschauer erfüllen. Niemand würde auch nur ahnen, dass sie dem Schicksal auf die Sprünge geholfen hatte. Elfi Merz würde niemand für eine Mörderin halten. Der Plan war totsicher.
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Pluto saß seit gestern im Flur und ließ die Haustür nicht aus dem Blick. Armer Hund! Wahrscheinlich wartete er darauf, dass sein Herrchen doch irgendwann einmal durch diese Tür kommen und ihn abholen würde. Jedes Mal, wenn die Klingel läutete, erhob sich der alte Rottweiler und schaute erwartungsvoll, wem die Tür geöffnet wurde. Seine Hoffnung würde sich jedoch nicht mehr erfüllen, jedenfalls nicht in diesem Leben. Karl Merz war seit einer Woche tot und heute an Silvester würde er beerdigt werden.
Der alte Hund war seit gestern im Haus und sollte ab sofort bei Katrin und ihrer Familie leben. Er hatte sich aber noch nicht an die neue Situation gewöhnen können. Pluto fraß schlecht und man wünschte dem alten Gesellen fast, dass er seinem Herrchen bald nachfolgen dürfte. Katrin wollte es dem alten Familienfreund so angenehm wie möglich machen. Sie hatte Pluto gegenüber ein schlechtes Gewissen und hoffte, ihre Schuld wieder gutmachen zu können an dem vierbeinigen Erbe ihrer Eltern. Schließlich hatte sie letzten Sommer ihre Sterbehilfe-Pille an Pluto getestet. Sie war heilfroh, dass der alte Kerl das überlebt hatte. Nach Elfis Tod sollte er jetzt hier das schönste Altenteil bekommen, von dem ein Hund nur träumen konnte.
Katrin schloss die Haustür auf und Pluto stand schwanzwedelnd im Flur. Als er sie sah, senkte er die Rute sofort und schaute sie aus traurigen Augen an. „Pluto, alter Bluthund, schau mal, was ich dir mitgebracht habe! Einen leckeren Knochen vom Metzger. Für dich ganz allein. Na, ist das was?“ Katrin hatte die Tür hinter sich zugemacht und war dann in die Hocke gegangen, um dem Hund seine Überraschung schmackhaft zu machen. Pluto interessierte sich jedoch nicht dafür. Er schien mit allen weltlichen Freuden abgeschlossen zu haben. „Vielleicht später. Kannst ihn dir in der Küche abholen.“ Katrin streichelte dem betagten Hund über den Kopf und wollte ihm ein wenig die Ohren kraulen, aber Pluto drehte den Kopf weg. Er wollte seine Ruhe.
Sie musste sich beeilen, in einer Stunde würden Susanne und Alex zum Essen da sein und später würden sie gemeinsam zur Beerdigung aufbrechen. Heute musste es schnell gehen in der Küche und so schob Katrin den Fleischkäse zum Selberbacken in den Ofen. Kartoffelsalat hatte sie ebenfalls vom Metzger mitgebracht.
Frank und die Kinder spielten oben mit der Eisenbahn. Für Marie und Lukas war es ein schwerer Schlag, innerhalb einer Woche beide Großeltern zu verlieren. Selbst Katrin konnte es manchmal nicht glauben, was innerhalb der letzten sieben Tage passiert war. Ihr Vater war doch so gut drauf gewesen, als er den ersten Weihnachtsfeiertag mit ihnen verbracht hatte. Der Eklat des Vorabends war fast vergessen und auch die Krankheit schien ganz weit weg. Karl hatte den Tag mit seinen Kindern und Enkeln genossen. Katrin konnte sich immer noch nicht vorstellen, dass er seinen Selbstmord geplant haben soll. Für Katrin waren zu viele Fragen ungeklärt. Hätte ihr Vater sich wirklich so einfach aus dem Leben geschlichen, ohne ihnen etwas zu sagen? Warum hat er sich nicht verabschiedet oder um ihre Hilfe beim Selbstmord gebeten wie es vereinbart war?
Katrin verscheuchte diese Ge danken, sie hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Jetzt musste sie dafür sorgen, dass ihre Familie sich für die Beerdigung fertigmachte, denn wenn Susanne und
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