Morenga
gestern ihren eigenen Urin.
Major Meister läßt von einem Offizier die noch vorhandenen Rumflaschen zerschlagen. Reiter, die heimlich Rum getrunken haben, stürzten, da der Alkohol die Schleimhäute austrocknete, mit merkwürdig rauhwürgenden Tönen ins feindliche Feuer. Ihre zerschossenen Leichen können erst am nächsten Tag geborgen werden.
Im Tal liegt der widerliche Geruch von Verwesung, da nur wenige der Gefallenen mit etwas Sand zugedeckt werden konnten.
Das Schreien des Majors v. Nauendorff ist, trotz des Gefechtslärms, in den vordersten Linien zu hören.
Er hat am gestrigen Tag einen Unterleibschuß erhalten und lebt noch vierundzwanzig Stunden. Er bietet erst 1000 Mark für einen Schluck Wasser, dann 10000. Als ihm der verwundete Sergeant Wehinger den letzten Schluck Rotwein aus seiner Feldflasche anbietet, überlegt es sich der Major doch anders: Trinken Sie das selbst, lieber Kamerad, Sie müssen wohl noch zu Ihrem Geschütz zurück, mit mir ist’s doch bald aus!
Der Feldprediger Lic. Schmidt spricht den Verwundeten und Sterbenden immer wieder Tröstung zu. Mehrmals erzählt er die Geschichte von Hiob. Einige Male muß er selbst zum Gewehr greifen, wenn ein Angriff der Hottentotten zurückgeschlagen werden muß, so, als beispielsweise die Hottentotten versuchen, die auf dem linken Flügel stehenden Geschütze den Deutschen wegzunehmen. Sie werden mit der blanken Waffe verteidigt. Leutnant d. R. Semper befiehlt gerade: Mit Kartätschen laden, als ihn ein Schuß in den Unterleib trifft. Er fällt auf den Rücklauf des Geschützrohres. Der Unteroffizier will daraufhin nicht abziehen. Semper befiehlt: Feuer. Der Unteroffizier zieht ab. Das Rohr zerquetscht dem Leutnant das Becken. Wenig später stirbt er auf dem Verbandsplatz.
Gab es keine Versuche überzulaufen?
Doch. Sogar ein Kompanieführer lief, der Leutnant v. Vollard-Bockelberg. In einem halbirren Zustand muß er versucht haben, zur Wasserstelle zu kommen, die hinter den Linien der Hottentotten lag. Die Aufständischen hielten immer wieder ihre vollen Wassersäcke hoch und riefen: Deutschmann sehr durstig – gutes Wasser hier.
Aber das war keine psychologische Kriegführung, um die Deutschen zum Überlaufen zu bewegen, sondern um die Soldaten, die schon delirierten, ins Feuer zu locken. Tatsächlich verließen mehrere Männer die Linie, ohne daß es anderen Reitern gelang, sie aufzuhalten. Sie wurden erschossen. Nur drei blieben vermißt.
Warum haben die Aufständischen nicht versucht, die Deutschen zur Kapitulation zu bewegen?
Bei Ausbruch des Krieges bot Isaak Witbooi allen deutschen Frauen und Kindern freies Geleit aus dem Lande an, ebenso den Männern, die erkennbar das Feldzeichen der Witboois, ein weißes Tuch, sich an die Hüte binden würden.
In der Vernehmung des Sohnes von Hendrik Witbooi, Isaak Witbooi, durch den Major Maercker taucht diese Frage gar nicht auf. Die Deutschen erwarteten von den Aufständischen keine Gnade.
Und die Aufständischen?
Was hätten sie mit den Gefangenen machen sollen? In diesem Guerillakrieg, der ein Bewegungskrieg war, konnte man keine Gefangenenlager anlegen, und die Gefangenen ständig mitzuführen, war bei dieser Kampfart unmöglich. Man hätte ihnen das Leben schenken können, wie es Morenga tat. Aber dann beteiligten sie sich wenig später wieder am Kampf gegen die Aufständischen. Das Problem scheint von Hendrik Witbooi so entschieden worden zu sein: Die Deutschen machen keine Gefangenen. Wir machen keine Gefangenen.
4. Januar 1905
An diesem Tag vereinigen sich die beiden Abteilungen Ritter und Lengerke am Vormittag bei Haruchas. Die Abteilungen bleiben stehen und erwarten die Abteilung Meister, die schon da sein müßte. Gegen Abend äußert Oberst Deimling den Verdacht, Major Meister könne unterwegs gebummelt haben. Oder er sitzt irgendwo fest.
Am Morgen dieses Tages entschließt sich Major Meister, die besetzte Höhe in Front der Abteilung im Sturm zu nehmen, um zu der Wasserstelle vordringen zu können. Zu diesem Zeitpunkt kann die Truppe schon nicht mehr zurück. Soldaten und Tiere sind völlig apathisch.
In der Nacht haben sich Hendrik Witbooi und der Prophet Stürmann getroffen. Stürmann behauptet, einige Deutsche seien schon rückwärts geflohen, in Kürze würden alle Deutschen fliehen. Er schlägt vor, daß Hendrik sich mit seinen Leuten von der Düne zurückziehen und weiter hinten in Stellung gehen soll, um so die Flucht zu verhindern.
Hendrik zögert, geht aber doch
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