Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
Diese Burg ist nun in der Gewalt von Hiua: Leute aus deiner Heimat.«
Sie schwieg lange; ihr Blick richtete sich auf die Sättel auf dem Gatter und kehrte wieder zurück. »Ihr reitet weiter.«
Er begriff, was sie meinte, und schüttelte bestürzt den Kopf. »Die Dinge stehen anders. Bei uns findest du keine Sicherheit. Ich kann dich nicht mitnehmen.«
Sie starrte ihn an. Tränen schimmerten in ihren Augen; doch plötzlich stand darin ein dermaßen gewalttätiger Ausdruck, daß er daran denken mußte, wie sie sich allein auf die Sumpfstraße begeben hatte.
Und daß er nun, nachdem er die Pferde gesattelt hatte, zu Morgaine zurückkehren und die Tiere unter Jhiruns Aufsicht zurücklassen mußte — oder er mußte vorher irgendwie mit ihr fertig werden.
»Bitte«, sagte sie.
Er sah sie an, schob den Sattel ein Stück auf dem Gatter zurück. »Ich bin nicht in der Lage«, sagte er, »Versprechungen zu machen oder entgegenzunehmen. Du bist eine Myya; ihr habt hier in Hiuaj sehr viel vergessen, sonst hättest du bei meinem Anblick sofort begriffen, daß ich kein
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mehr bin und keine Ehre mehr habe. Es war ein Fehler von dir, mir zu glauben. Ich habe gesagt, was ich sagen mußte, weil du mir keine andere Wahl ließest. Ich kann dich aber nicht mitnehmen.«
Sie wandte sich um und entfernte sich; er dachte einen Augenblick lang, sie wollte in die Schatten zurückkehren, um sich dort zu setzen und ein bißchen zu weinen; das wollte er ihr gewähren, ehe er die Entscheidung traf, was er mit ihr anfangen sollte.
Aber sie kehrte nicht in die Dunkelheit zurück. Sie ging zum Gestell mit den Geschirren, nahm Zaumzeug und Sattel herab, zerrte die Sachen mit beiden Armen hoch und torkelte unter dem Gewicht. Fluchend sah er sie durch den Gang näher kommen, den Sattelgurt durch das übelriechende Stroh ziehend und beinahe noch darüber stolpernd, keuchend vor Anstrengung und unter Tränen.
Er stellte sich ihr in den Weg, entriß ihr die Last, warf sie fluchend ins Stroh, und sie stand mit leeren Händen vor ihm und starrte mit tränenblinden Augen zu ihm auf.
»Wenigstens könntet ihr mir bis zur Straße helfen, wenn ihr schon wegreitet«, sagte sie. »Oder mich immerhin nicht aufhalten. Dazu hast du kein Recht.«
Er stand starr vor ihr. Sie bückte sich, versuchte den Sattel wieder aufzuheben und zitterte dabei so stark, daß ihr die Kraft in den Händen fehlte. Fluchend nahm er ihr den Sattel ab, schleuderte ihn zur nächsten Stange empor. »Na schön«, sagte er. »Ich sattele dir ein Pferd. Und was du dann machst, ist deine Sache. Such dir eins aus.«
Sie starrte ihn mit zusammengepreßten Lippen an, ging zu einer Box auf halbem Wege, legte eine Hand auf das Gatter einer braunen Stute. »Die hier.«
Vanye ging ihr nach und betrachtete die Stute, deren Brust ausreichend breit war, die aber ansonsten recht klein geraten war. »Vielleicht gibt es bessere«, meinte er.
»Die hier!«
Er schüttelte den Kopf und sagte sich, daß sie ja sowieso bekommen würde, was sie haben wollte, und daß ein Mädchen, dessen Erfahrungen mit Pferden sich auf ein kleines schwarzes Pony beschränkten, seine Grenzen wohl kennen mußte. Er kam ihrem Wunsch nach.
Nachdem Jhiruns Stute gesattelt war, kehrte er zu seinem Pferd und zu Siptah zurück — er gab sich große Mühe mit Zaumzeug und Sattel, die einen anstrengenden Ritt ohne lange Rastpausen aushalten mußten: er nahm außerdem eine Rolle Lederband und ein geflochtenes Lederseil mit. Zuletzt schloß er die Boxen und machte Anstalten zu gehen.
»Ich muß meiner Lady Bescheid geben«, sagte er zu Jhirun, die neben ihrer Stute wartete. »Wir kommen so schnell wie möglich. Kann sein, daß wir noch ein wenig aufgehalten werden, aber nicht sehr lange.«
Sorge zeigte sich auf ihrem Gesicht: er runzelte die Stirn, wandte sich aber dennoch zum Gehen, denn er sagte sich, daß die Pferde sicher waren, solange Jhirun sich einen Vorteil erhoffte, wenn sie ihm und Morgaine half.
»Nein«, flüsterte Jhirun hinter ihm her, lief los und hielt ihn am Arm fest; er war angerührt von dem Entsetzen in ihrem Gesicht und sah sich um, angeweht von dem Gefühl, daß ein Hinterhalt ihn erwarte.
»Lord«, flüsterte sie. »Ein Mann versteckt sich hier. Geh nicht! Laß mich nicht hier zurück!«
Er packte sie am Arm, daß sie zusammenzuckte. »Wie viele? Was hast du mir hier eingebrockt?«
»Nein!« hauchte sie. »Einer nur. Er...« Sie deutete mit der Hand in die Dunkelheit hinter den Boxen. »Er
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