Morgaine 2 - Der Quell von Shiuan
ist dort. Laß mich nicht mit ihm allein, nicht jetzt, mit den Pferden ... Kithan. Es ist Kithan.«
Sie unterdrückte einen Schrei; er öffnete die Hand in der Erkenntnis, daß er brutal an ihrem Arm gezerrt hatte. Sie rieb sich das schmerzende Handgelenk, ohne vor ihm zurückzuweichen.
»Als der Angriff kam«, sagte sie, »kam er hierher und konnte nicht wieder hinaus. Er hat geschlafen — ich habe eine Heugabel genommen und bin zu ihm geschlichen, um ihn zu töten, aber dann hatte ich Angst. Er hat bestimmt gehört, wie wir uns bewegt haben — wenn er glaubt, daß alles in Ordnung ist, wenn du weg bist, wird er herauskommen.«
Vanye ließ den Ring von seinem Schwert gleiten, zog die Klinge vorsichtig aus der Scheide. »Zeig mir die Stelle«, sagte er. »Und wenn du dich irrst, Myya Jhirun i Myya ...«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich dachte, wir würden gleich reiten«, flüsterte sie unter Tränen. »Ich dachte, es würde gut abgehen, ohne daß ... ohne daß noch getötet werden müßte ... ich möchte nämlich nicht...«
»Ruhig«, sagte er, umfaßte ihr Handgelenk, schob sie vorwärts. Sie ging ihm voraus und führte ihn so leise sie konnte in die Dunkelheit.
Kleine eckige Fenster beleuchteten die Ställe, Streifen staubigen Lichts, darin lag ein Gewirr von Gängen und Boxen, Strohhaufen, leere Stangen für Sättel und Zaumzeug. Das Gebäude folgte in unregelmäßiger Krümmung der Mauer des Innengebäudes, ebenso waren die Gänge gebogen, viele Reihen von Boxen, leer — dann ein Heuschober, ein Nistplatz für Vögel, die sich unruhig flatternd erhoben.
Jhiruns Hand berührte ihn warnend. Sie deutete an einer Reihe von Ställen entlang nach hinten, wo die Schatten am dunkelsten waren. Er begann in die Richtung zu gehen, wobei er das Mädchen mitzog und die Boxen auf beiden Seiten im Auge behielt, die ihm leicht zum Verhängnis werden konnten.
Am Ende der Boxen schnellte eine weiße Gestalt hoch und begann zu laufen. Vanye ruckte an Jhiruns Handgelenk, hastete in einen Quergang, erreichte die nächste Reihe.
Der Mann eilte mit fliegendem weißem Haar auf einen weiteren Gang zu. Vanye ließ Jhirun los, nahm die Verfolgung auf und kam gerade noch zurecht, um den Mann ein Gatter erklimmen und auf ein offenes Fenster zuspringen zu sehen. Der Vorsprung des anderen war zu groß. Der
qujal
verschwand nach draußen, er warf sich ins Freie, als Vanye eben das Gitter erreichte.
Lautlos fluchend stand er da und fuhr mit erhobener Waffe herum, als ein Geräusch an seine Ohren drang. Jhirun lief herbei. Er ließ den Schwertarm fallen. Und draußen hörte er das Geschrei der menschlichen Jagdhunde, die ein Kesseltreiben auf Kithan veranstalteten; ganz Ohtij-in geriet in Bewegung; es würde nicht lange dauern, bis sie ihn hatten.
Vanye fluchte noch einmal, Worte, wie er sie noch nicht gebraucht hatte. Er zog Jhiruns Finger rücksichtslos von sich ab und machte sich auf den Rückweg zum vorderen Teil des Stalles, während sie keuchend Schritt zu halten versuchte.
»Bleib hier!« sagte er. »Kümmere dich um die Pferde! Ich gehe zu Morgaine. Wir reiten, so bald es geht.«
13
Im Hof herrschte Chaos, Männer stürzten aus den Türen, liefen herum. Vanye schob sich durch das Gewirr, drängte durch eine Gruppe, die aus dem Hauptgebäude strömte, und die Männer und Frauen wichen bei seinem Anblick erschrocken aus. Er hielt das Schwert, nicht blankgezogen, in der linken Hand und betrat die Säle der Burg, wobei er eilte, so schnell er konnte, ohne zu rennen. Er wollte nicht laufen: es war nur ein kleiner Funke erforderlich, um die Panik überall ausbrechen zu lassen, und er war als Morgaines Vertrauter bekannt.
Er erreichte die Gemächer der Lords hoch oben im Turm, trat in den inneren Gang und erschreckte die Wächter, die dort standen; sie griffen zuerst nach den Waffen und machten dann verwirrt den Weg frei, als sie erkannten, daß er das Recht hatte einzutreten. Er riß die Tür auf, knallte sie hinter sich zu und wagte zum erstenmal den Atem einzuziehen, den er dringend brauchte.
Morgaine drehte sich zu ihm um — sie stand am Fenster, die Hand auf dem Sims. Bestürzung zeichnete ihr Gesicht. Leise war das Geschrei aus dem Hof zu hören.
»Ihr habt etwas aufgespürt?« fragte sie.
»Kithan«, sagte er.»
Liyo
, die Pferde sind gesattelt, wir brauchen nur abzureiten — sofort. Irgend jemand wird in den Stall kommen und unsere Vorbereitungen bemerken, wenn wir zu lange warten, und ich glaube nicht, daß zu
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