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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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Pfeilen verschonten.
    Die Männer mit den spitzen Zungen redeten über ihn, aber sie vermieden es, ihn sich zum Feind zu machen.
    Ein appetitlicher Anblick, diese Pflaume, hellgrün mit einem rosa Schimmer.
    Aber man hüte sich davor, hineinzubeißen, denn sie schmeckt bitter …
    Sie ließen es ihn manchmal hören – »Die Pflaume kommt« –, sobald sie ihn aus einer der engen Straßen in Richtung Kaffeehaus gehen sahen – »Willkommen, Pflaume« –, oder sobald er sich zu ihnen setzte, ohne Groll lächelte und ihnen dann schweigend beim Kartenspiel zusah. Alle spielten sie, verloren, ärgerten sich, gewannen, er aber sah immer nur zu. Einer von ihnen behauptete, er kenne noch nicht einmal die Spielregeln, und trotzdem verfolge er das Spiel.
    Er gab vor, er spiele nicht, um gleich wieder zur Schneiderei zurückkehren zu können. Meister Bûlos unterstellte ihm, wenn ihm der Glanz seiner Schuhe nicht gefalle, lasse er seine Arbeit im Stich und suche das Kaffeehaus auf. Er pfeife dem Schuhputzer, der ihm folge, beuge sich zusammen mit ihm über die Schuhe und fordere ihn auf, sie dick einzufetten und den Absatz kräftig zu bürsten.
    Das Schneidern fiel ihm schwer. Die hohe Konzentration ermüdete ihn. Er markierte den Stoff mit dem kleinen Seifenstück, mit Nadel und Faden nähte er den Hosenaufschlag um, er plagte sich mit dünnem Garn am Knopfloch ab. Seine dicken Hände gehorchten ihm nicht, und wenn er gezwungen war, den Faden durch das Öhr zu ziehen, mühte er sich lange damit ab, oder er bat jemanden, ihm zu helfen. Dann fiel ihm das Atmen schwer, und er ging hinaus, ins Kaffeehaus, und Meister Bûlos drückte beide Augen zu.
    Der Übergang innerhalb einer Generation war nicht leicht für ihn gewesen. Zuerst die Maulesel antreiben und mit den schwersten Lasten beladen, und wenn sie sich einfach hingesetzt hatten, ihnen Feuer unterm Schwanz machen, damit sie aufständen; sie schlagen, bis ihnen das Blut die Flanken herabfloss; sie ins Ohr beißen, wie sein Onkel es zu tun pflegte, um sie zum Aufstehen zu zwingen; danach der Porphyrstein, und dann mit einem Rutsch zum englischen Tuch.
    Farîd, die Pflaume, scherte sich nicht um das Geschwätz der Leute.
    Er konnte zwar einen Scherz dulden, aber er nahm es mit jedem auf. Wenn man ihn ansah, wurde er verlegen. Er war sanft, aber ein bisschen einfältig.
    Sie hatten ihn einer Prüfung unterzogen, im Restaurant Umm Raymond. Sie hatten am Nachbartisch Arrak getrunken und gespeist, Saîd Ibrahîm und Antâniûs Khûri. Sein Blick traf Saîds Blick. Gefährlich war er, der Saîd Ibrahîm, vor dem musste man auf der Hut sein. Einer starrte den anderen an. Ohne mit den Augen zu zwinkern. Die Provokation zog sich in die Länge. Farîd senkte den Blick nicht, niemals. Die Gäste zogen sich einer nach dem anderen zurück. Niemand wollte aus Versehen sterben.
    Der Präsident der Republik strebte eine Wiederwahl an, so sagte man, auch wenn er die öffentliche Bekanntgabe immer wieder hinausschob.
    Der rebellische Schneider Farîd al-Samaani gehörte zu den Anhängern der Wiederwahl.
    Auch seine Familie und ihr Oberhaupt.
    Er hörte, wie der Zeitungsverkäufer in den Gassen die Überschriften herausschrie, und begnügte sich damit.
    Eine Zeitung kaufte er nicht, er las nur mit Mühe.
    Die Gegner des Präsidenten unterlagen einer nach dem anderen in den Regionalwahlen. Fälschung, Druck, Bestechung, hieß es.
    Es blieb noch die Nordprovinz, dort sollten die Wahlen in zwei Wochen stattfinden.
    Farîd würde seiner Tante mit dem Erstbesten, der nach Sydney reiste, das Geld zurückschicken. Nein, er bat niemanden um Geld. Er begnügte sich mit dem, was er hatte. Er würde das Geld zurückgeben, weil er hier blieb, Farîd Badawi al-Samaani, 24 Jahre alt, Name der Mutter Sausân Wardeh, Größe 182 cm, besondere Kennzeichen: Muttermal auf der linken Wange. Er bleibt, um sich abends in ein kleines Restaurant zu setzen, dessen fünfzigjähriger Besitzerin man immer noch ansieht, wie schön sie einst war. Er sitzt mit einem seiner Kameraden oder einem Cousin vor zwei Spießen mit gegrilltem Ziegenfleisch und einem Teller Kichererbsenpüree. Beim ersten Schluck des mit Wasser verdünnten Arraks stoßen sie an. Sie trinken ungestüm, jeder dreifach destillierte Schluck Arrak ist wie eine bittere Qual. Farîd isst nicht, er spricht nicht und er isst nicht, und wenn er nach mehrmaliger Aufforderung seines Tischgenossen doch etwas zu sich nimmt, dann nur ganz wenig, ein oder zwei

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