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Morgen des Zorns

Morgen des Zorns

Titel: Morgen des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Douaihy
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warum?
    Sie fragen Kâmleh auf eine Weise, als tadelten sie ihn für seine Trägheit.
    Beim Gehen blickt er nach rechts und links wie einer, der das »Banden«-Viertel zum ersten Mal erkundet. Wenn er vorbeikommt, tuscheln die Jungen des Viertels miteinander.
    Das ist er, sie kennen ihn von seiner Website, eliano.org. Sie haben einen Satz auf seiner Website gelesen, der auf einen deutschen Philosophen zurückgeht, dessen Namen sie nicht aussprechen konnten; darauf folgte ein Zwiebelsuppenrezept mit einer Rotweinempfehlung. Das blonde amerikanische Mädchen, das sie in seiner Begleitung in Strandkleidung sahen, ist nicht mitgekommen. Es heißt, sie ähnelt Gwyneth Paltrow. Dabei waren sie doch ganz wild darauf gewesen, sie zu sehen.
    Er ist allein. Er macht einen verstörten Eindruck, er schlendert ziellos umher.
    Vom ersten Tag an verleumden sie ihn bei Kâmleh.
    – Wo bist du die ganze Zeit gewesen?, fragt sie ihn, als er mittags zurückkehrt.
    – Ich bin in den Straßen herumgelaufen.
    Sie glaubt ihm nicht.
    – Du bist vom anderen Ende der Welt hierhergekommen, um in den Straßen herumzulaufen?
    Er lächelt.
    – Was trägst du da über der Schulter?
    – Das ist dort so üblich. Die Männer tragen Schultertaschen.
    – Was zeichnest du und was notierst du in das Heft?
    Er lacht.
    – Warum fotografierst du die alten Häuser und die kleinen Kinder?
    – Du weißt alles, obwohl du das Haus nicht verlässt?
    Sie bauscht die Sache auf:
    – Du lügst mich an. Warum bist du aus Amerika gekommen?
    Er spielt die Sache herunter:
    – Ich bin gekommen, um dich zu sehen, gnädige Frau Kâmleh.
    – Wenn du gekommen bist, um mich zu sehen, dann bleib hier bei mir zu Hause. Du benimmst dich, als wäre es nicht dein Haus, das ist euer Besitz, das ist das Haus der Familie Kfûri …
    Nicht einmal ein versöhnliches Lächeln kann er ihr entlocken.
    Um fünf Uhr morgens steht sie auf, postiert sich auf dem Balkon. Geht hin und her wie ein Wachposten. Statt die Blumen zu befühlen oder die Erde zu betasten, wie sie es jeden Morgen tut, flüstert sie den Kindern unter dem Fenster zu, sich davonzumachen. Immer wenn sie ein Auto an der Kurve hupen hört, an der sich wöchentlich ein Unfall ereignet, hebt sie missbilligend die Hand, wenn auch aus der Ferne und ohne Erfolg. Wenn eine Nachbarin sie »nach ihm« fragt, legt sie eine Wange in die Hand und schließt die Augen, um zu signalisieren, dass er immer noch schlafe, und die Frau mit dieser Geste zu ermahnen, ihre Stimme nicht zu erheben.
    Gemächlich bringt sie ihm das Frühstück, Kaffee, Orangensaft, Birnenmarmelade. Sie weiß noch von früher, bevor er fortging, dass er Birnenmarmelade mochte:
    – Du hast eine Birne in die Hand genommen, mit zwei Fingern hast du sie hochgehoben und dir in den Mund gesteckt.
    Er hat es vergessen, dass er gerne Birnenmarmelade aß.
    Er wacht auf, kleidet sich in aller Eile an, isst einen Happen, um sie nicht zu verärgern, und verlässt das Haus.
    Am nächsten Morgen wird sie ihm das gleiche umfangreiche Frühstück zubereiten.
    Sie ruft ihn: Elia!
    Bereits an der Tür, kehrt er zu ihr zurück.
    – Lass zumindest nicht zu, dass sie über dich herziehen.
    – Keine Sorge.
    Kâmlehs Befürchtungen sind durchaus nicht unbegründet.
    Irgendetwas an seiner Art zu gehen und sich umzublicken erregt Aufmerksamkeit. In den ersten Tagen lässt der Gemüsehändler ihn nicht aus den Augen, während er seine farbenfrohe Ware mitten auf dem Bürgersteig wieder und wieder sortiert; desgleichen der beleibte Fleischer, der freitags vor seinem Laden sitzt und in Vorbereitung auf das morgige Schlachttier gemächlich seine Messer wetzt. Die gelangweilten Polizisten, deren Aufgabe es ist, die Präfektur zu bewachen, verfolgen ihn mit ihren lästigen Blicken, während sie miteinander lästern und dabei Worte in den Mund nehmen, die den Frauen nicht zu Gehör kommen sollten. Die Taxichauffeure, die ihren Kopf – trotz ihres Alters und ihrer erschlafften Körper – mit lächerlichen Sportkappen schützen, blicken ihm nach, während sie auf dem Platz unter der sengenden Sonne der wenigen Kunden harren.
    Er wirkt vertraut, trotz der amerikanischen Neuerungen an seiner Kleidung, doch sein Gebaren ist fremdartig. Nach kurzer Zeit verändert er entweder seine Gangart und beginnt zu hasten, wenngleich er kein bestimmtes Ziel anstrebt, oder man verliert das Interesse an ihm und schenkt ihm keine Aufmerksamkeit mehr. Ein Semit unter Semiten ist er, mit seiner großen

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