Morgen des Zorns
Hausrat abtransportieren sollte. Abu Dschamîl hatte ein Haus für sie gefunden, in das sie umziehen würden. Er war ihnen schon vorausgegangen. Seine Verwandten, die Söhne seiner Onkel väterlicherseits, würden ihm dort unter die Arme greifen. Der Mann war offenbar gefährdeter als seine Frau und die Kinder. Lediglich ihm hatte man zur Flucht verholfen, noch vor Frau und Kindern. Selbst in Sicherheit, hatte er sie mehrere Tage lang der Gefahr ausgesetzt. Ganz im Gegensatz zu meinem Onkel mütterlicherseits, Saîd. Kaum hatte der Mörserbeschuss eingesetzt, da hatte er mit seiner Familie die Flucht ergriffen. Zwei Tage lang blieben sie verschwunden. Dann war Saîd allein zurückgekehrt, er hatte alle an einen sicheren Ort gebracht, nur um daraufhin wieder zur Barrikade zurückzukommen.
Ich hatte ein bisschen mit der Katze gespielt, sie gehätschelt, auf den Arm genommen und sie herumgetragen. Dann habe ich ihr die Augen zugedrückt und sie in ein großes leeres Fass geworfen. Ich habe ihr noch ein Stückchen Fleisch zum Fressen hingeworfen und dann den Deckel zugemacht. Damit ihr Miauen nicht an meine Ohren drang. Sie hatten sie abends vermisst, als sie nicht in der Nachbarschaft aufgetaucht war, und da hatten sie sich auf die Suche gemacht. Alle waren einhellig der Meinung gewesen, dass die Katze das Viertel nicht verlassen wollte und deshalb weggelaufen war. Sie lachten, aber sogleich wurde ihnen bewusst, dass sie ihr Lachen unterdrücken mussten. Auf jeden Fall hatte die Katze sie zum Lachen gebracht, und da erzählten sie sich wieder, was sie über Katzen und ihre Intelligenz wussten. Gepriesen sei Gott! Von den Geschichten über die Schläue der Katzen ging man zu den Ratten über und von ihnen zu den Hunden, wie üblich, man ging sie alle durch, und zu guter Letzt versicherten die Nachbarn Umm Dschamîl, dass ihre Katze ganz bestimmt wiederauftauchen würde.
– Keine Sorge, wir schicken sie euch, sobald wir sie sehen.
Später sollte ich die Erfahrung machen, dass Erwachsene, wenn sie eine spannungsgeladene Atmosphäre nicht in einen Streit ausarten lassen wollten, ausgemachte Banalitäten von sich gaben und beispielsweise über die Intelligenz von Tieren zu schwätzen begannen. Um sich wieder miteinander zu versöhnen, gaben sie sogar vor, das Gesagte zu glauben und sich darüber zu wundern. Mir war schon oft aufgefallen, dass in unserem Viertel ein Gespräch über Tiere der kürzeste Weg zur Versöhnung oder zur Vermeidung von Streit war.
– Weg da, Kinder …
– Möge Gott uns schützen …
– Der Spiegel des Lasters stößt gleich gegen das Fenster, pass auf, pass doch auf …
– Brauchst du Hilfe, Umm Dschamîl?
– Pass auf das Stromkabel auf, reiß es nicht ab!
– Stooooop …
Nachdem er die Tür geöffnet und seinen halben Oberkörper hinausgelehnt hatte, fuhr der Fahrer des Lasters rückwärts in die Gasse ein, damit die Ladefläche genau parallel zur Haustür zu stehen kam, während wir ihm weiterhin Anweisungen gaben … Der Träger sprang herunter. Er war bereits im fortgeschrittenen Alter, behende, ein professioneller Träger, den wir zum ersten Mal zu Gesicht bekamen. Wir gingen auf ihn zu, an seinem Rücken konnte man ein kleines kupfernes Quadrat sehen, das die Zahl 64 zeigte. Ein offizieller Träger aus der Stadt, aus Tripolis.
Er ging ins Haus, blieb eine Weile verschwunden und kam dann mit dem Esszimmerschrank zurück. Sie hatten die Glasschüsseln und Kristallgläser herausgenommen, die wir auf den Regalbrettern hatten glänzen sehen, wenn wir daran vorbeigegangen waren. Absichtlich hatten wir das ganz oft getan, um uns an dem sich hier bietenden Spiel der Bilder zu erfreuen, denn der Spiegel des Schranks lag einem anderen Spiegel gegenüber, der neben der Eingangstür hing, und so vervielfältigten wir uns im Vorbeigehen bis ins Unendliche. Wir konnten gar nicht genug bekommen von diesem Anblick. Der Träger hatte sich den Schrank auf den Rücken geladen und mit einem um die Stirn gelegten Stoffgürtel, den er während der Arbeit niemals aus der Hand gab, fixiert. Er stellte das Möbel auf die Ladefläche des Lasters und ging wieder ins Haus, um Teile des Messingbetts herauszutragen, das – so hatten wir es uns immer vorgestellt – vor einem grünen Vorhang im Schlafzimmer des Hausherrn und seiner Frau stand. Obwohl wir so häufig daran vorbeigelaufen waren, hatten wir die Tür des Schlafzimmers kein einziges Mal offen stehen gesehen. Außer hinter dieser angelehnten
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