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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Rechnung zu bezahlen. Ich fing an, in meiner Tasche herumzuwühlen, doch sie bedeutete mir mit einer Handbewegung, das zu lassen. »Lassen Sie mich das übernehmen.«
    »Danke.«
    Als ich meinen Drink leerte, läutete ihr Telefon. Sie antwortete, während sie an einem winzigen Fleck auf ihrem Jackett herumkratzte. Ich spürte, dass sie allmählich ungehalten wurde, dies aber geschickt verbarg.
    »Ah, Inspector Silver. Ja, ich bin in der Bar. Mit einer Freundin von Ihnen.« Wenn Silver mich hier erwischte, würde er mich einen Kopf kürzer machen. Ein Erklärungsversuch hätte hier wenig Sinn. Außerdem wollte ich nicht, dass er mich neben der umwerfenden Agnes sah. Also sprang ich auf. »Danke für den Drink«, stammelte ich. Dann ging ich zur Tür.
    »Viel Glück«, rief sie mir nach. Ich versuchte zu lächeln, als ich aus dem Hotel ging. Sie war immer noch vollkommen gefasst. Wie die Eiskönigin höchstpersönlich. So kalt, dass ich mich regelrecht tiefgekühlt fühlte.
    Als ich auf ein Taxi wartete, hielt in einigen Metern Entfernung Silvers Wagen. Ich sah, wie er erst einen Blick in den Spiegel warf, seine Krawatte gerade rückte und sein Dienstabzeichen polierte. Ich versuchte, mit der Säule am Eingang zu verschmelzen und betete um ein Taxi. Ich wollte ihm wirklich nicht hier begegnen. Silver schwang seine Beine aus dem Wagen. »Komm schon«, flehte ich den Taxigott an, aber Silver kam schnurgerade auf mich zu. So konnte er mich gar nicht verfehlen – in dieser Sekunde hielt ein Taxi vor mir.
    »Ich hoffe, Sie sind Manns genug, um mit der da fertig zu werden, Inspector«, murmelte ich im Stillen, während ich auf den Rücksitz glitt. Ich hatte keine Ahnung, wo ich hin wollte.
    Im Taxi rief Robbie mich auf dem Handy an. Dieses Mal hörte ich mir seinen Vorschlag an und sagte, ich würde darüber nachdenken. Das Taxi setzte mich in Soho ab. Im ersten Café, auf das ich stieß, setzte ich mich draußen an einen Tisch und bestellte Kaffee, starken, schwarzen Kaffee und ein Croissant. Ich musste mich ausnüchtern. Außerdem hatte die Begegnung mit Agnes mich stärker aus der Fassung gebracht, als ich zugeben wollte. Nun hatte das unbekannte Wesen plötzlich ein Gesicht bekommen – noch dazu aus vollkommen scheinendem Fleisch und Blut.
    Ich fühlte mich, als hätte ich meinen Kopf in eine Waschmaschine gesteckt – mit Turboschleuderprogramm. Vielleicht war ich zu hart mit Robbie umgesprungen. Schließlich war er mein kleiner Bruder. Vielleicht lag ihm ja wirklich etwas an der Sache. Und Leigh meinte doch stets, er sei ziemlich daneben. Sie hatten einander nie besonders nahegestanden, und als er zum letzten Mal verschwunden war, hatte er gleichsam alle Brücken zu ihr abgebrochen. Sie hatte ihm nie verziehen, dass er Mamas Verlobungsring, Omas Goldschmuck sowie ihr Sparbuch mitgenommen hatte. Und einfach aus unserem Leben verschwunden war, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Leigh sah, wie sehr er Mutter damit verletzte. Wie er uns einmal mehr mit den zu kittenden Scherben zurückgelassen hatte. Ihre Wut war über die Jahre, in denen er sich nicht hatte blicken lassen, noch angewachsen.
    Und ich konnte einfach nicht mehr herumsitzen und warten. Ich hatte das Gefühl, die Decke falle mir auf den Kopf. Außerdem wurde mein Vertrauen in Silver und sein Team von Minute zu Minute geringer. Das Video war schon vor ein paar Tagen angekommen, und wir waren Louis noch immer keinen Schritt näher gekommen. Immer wenn ich an mein Baby dachte, spürte ich einen Adrenalinschub im Bauch, als träte mich ein Maulesel. Ich hatte keine Zeit mehr. Louis hatte keine Zeit mehr. Wenn ich ihn nicht bald fand, würde er mich vielleicht vergessen. Oder noch schlimmer. Was, wenn seine Entführer ihn über bekamen? Wenn er einmal zu oft weinte? Oder lachte? Was, wenn sie sich nicht mehr von ihm trennen konnten?
    Der Abend dämmerte. Die Theatermeute ergoss sich auf die Straßen, die herausgeputzte Landbevölkerung in ihrem besten Zwirn. Söhne in engen T-Shirts und lächelnde, geblümt gewandete Mütter stellten sich hinter australischen Touristen um eine Karte für das ABBA-Musical auf der anderen Straßenseite an. Junge Mädchen tänzelten, ein Ohr am Handy, die Straße hinunter, ihre braunen Bäuchlein schoben sich über den tief sitzenden Rockbund. Eisern schlang ich das Croissant mit schwarzer Johannisbeermarmelade hinunter und versuchte, nicht allzu neidisch zu den zwei hübschen Jungs am Nebentisch zu schielen, die Martinis

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