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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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bestellten und einander tief in die Augen sahen.
    Schmerzhaft wurde mir klar, wie einsam ich war. Diese Feststellung trieb mich zu einer Entscheidung. Ich tätigte einen Anruf, dann bestellte ich nochmals Kaffee. In mein Auge hatte sich ein Dauerzwinkern eingeschlichen. Auf und zu, auf und zu. Trotz meiner Erschöpfung war ich vom Koffein aufgeputscht. Ich holte meine Puderdose heraus und betrachtete mein müdes Gesicht. Von hinten fiel ein Schatten über den kleinen Spiegel, dann ließ mein Bruder sich auf den Sitz neben mir sinken.
    »Mein Gott, hast du mich erschreckt! Lass das, Rob.«
    »Tut mir leid.«
    »Ich bin ohnehin schon völlig am Ende.«
    »Ich sagte doch schon, dass es mir leidtut.« Er zündete sich seine Zigarette an und schaufelte Zucker in den Espresso, den ich für ihn bestellt hatte. »Er will einen Dicken.« Er war wirklich voller Tatendrang, weit weniger fertig als am Morgen.
    »Ich freue mich auch, dass ich dich sehe. Tausend Pfund? Und wofür genau?«
    »Das ist einfach der Tarif.«
    »Aber wofür? Für ein paar Informationen?«
    Er zuckte mit den Schultern. Seine Hand zitterte, als er den Kaffee umrührte. »Ich lege den Preis nicht fest, Jess.« Ich starrte ihn an, aber sein Blick verlor sich irgendwo hinter mir. Dann trank er den Kaffee mit einem Schluck aus.
    »Bist du dir da ganz sicher?« Ein finsterer Gedanke zog wie eine Schnecke seine Spur in meinem Gehirn. »Robbie, warst du letzte Nacht im Krankenhaus?«
    »In welchem Krankenhaus?« Seine blöde Selbstgedrehte war wieder einmal ausgegangen.
    »Hast du Mickey besucht?« Er riss ein Streichholz an, gerade als ich nach seiner Hand griff. Ich verbrannte mir die Finger. »Robbie, verdammt noch mal, sieh mich an! Das ist doch nicht etwa irgendeine Form der Erpressung, oder? Damit du Geld machen kannst? Weißt du etwa, wo Louis ist?«
    Wieder stand ihm kalter Schweiß auf der Stirn. Das blinkende Licht der Coffee-Bar legte einen seltsam grünlichen Schein über sein Gesicht. Seine dunklen Locken waren fettig, die Kleidung, die er seit Tagen nicht gewechselt hatte, wirkte unsauber. Als er mich endlich ansah, hatte er einen glasigen Blick. Und er antwortete nicht.
    »Robbie!« In meinem Herzen keimte Hoffnung auf und flatterte darin herum wie ein gerade flügge gewordener Vogel. »Antworte mir, um Himmels willen! Weißt du, wo mein Baby ist? Sieh mal«, verzweifelt griff ich nach seinem Handgelenk, »ich werde nicht wütend sein. Ich verspreche es dir. Sag mir nur die Wahrheit.«
    Er schüttelte meine Hand ab. »Natürlich weiß ich nicht, wo das verdammte Baby ist, Jess. Herrgott noch mal!« Dann sah er mein Gesicht und verzog schuldbewusst die Miene. »Tut mir leid. Aber du weißt genau, was ich meine. Natürlich habe ich Louis nicht gesehen.« Er starrte immer noch nervös über meine Schulter. »Ich bin dein Bruder, Jess. Sogar für mich gibt es Tabus.« Das sollte ein Witz sein, doch er wirkte so abwesend, dass er mich damit noch nervöser machte. Ich drehte mich um und sah nach. »Was ist denn?«
    »Nichts.«
    »Und wonach schaust du dir dann die Augen aus dem Kopf?«
    »Nach nichts, in Ordnung! Ich dachte, ich hätte einen Bekannten gesehen, das ist alles. Vergiss es einfach, okay?« Ich seufzte. Der Vogel in meinem Herzen krachte gegen die Wand und ging in Flammen auf.
    »Ich denke, wir sollten hier wirklich am Ball bleiben.« Robbie war aufgestanden und zog die schwere Lederjacke über sein schmuddliges T-Shirt.
    »Ich bin mir plötzlich gar nicht mehr so sicher«, sagte ich teilnahmslos. Ich war erschöpft, schmutzig und verschwitzt. Ich wollte nur nach Hause, mich waschen, schlafen und alles vergessen, wenigstens für eine gewisse Zeit. Robbies Aussehen ließ seinen Plan nicht unbedingt vertrauenerweckender erscheinen.
    »Jess«, sein Gesicht schien angespannt im Licht der Dämmerung. Unter der dünnen Haut pulsierte das Blut. »Mach jetzt keinen Ärger, in Ordnung? Ich habe das Ganze jetzt ins Rollen gebracht. Wir müssen los und diesen Typen treffen.«
    Ich starrte ihn an. Er musste mein Unbehagen spüren, denn sofort wurde seine Stimme ein bisschen weicher. »Hör mal, er kann wirklich all deine Probleme lösen, Jessie. Es ist doch zumindest einen Versuch wert, oder nicht?« Jetzt bettelte er. Ich seufzte. Der Kniefall war immer der rettende Anker in seinen Überredungsstrategien gewesen.
    »Ich vermute mal, ich habe nichts mehr zu verlieren.« Ich fischte meinen letzten Zehner heraus. »Ich nehme an, ich zahle den

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