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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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brauche sie, als ich mich von meinem Babyblues erholte, als ich Denkvermögen und Mut wiederfand.
    »Ich habe die Fotos nur für mich gemacht, für … wie sagen Sie doch gleich … für die Brieftasche?«
    Ich dachte an Silvers Worte, als ich die Bilder gefunden hatte, und gab schließlich nach. »Gut, ist in Ordnung, Maxine.« Ich atmete durch: »Es tut mir leid.«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ist schon gut. Es tut mir wirklich leid für Sie. Wenn ich kann, helfe ich Ihnen gerne.«
    »Danke.« Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück und ließ mich auf das Sofa fallen. In der Hand hielt ich das Foto von Louis, das ich ausgesucht hatte. Ich presste es ans Herz und kam mir dabei unglaublich dumm, aber auch unglaublich leer vor. Ich starrte das Bild seines strahlenden Gesichtchens an.
    »Am Morgen fahre ich nach Blackheath und lasse es kopieren«, sagte ich Shirl. Sie lächelte und hielt mir ein Eclair hin, das sie aus dem Kühlschrank geholt hatte. Ich liebte Eclairs, doch jetzt erinnerte es mich an das Kuchenstück, das ich Mickey im Museum geklaut hatte. Shirl legte etwas ruhige Musik auf. Sie bot mir an, mir die Schultern zu massieren, aber ich hatte keine Lust. Ich wusste, ich würde mich nie entspannen. Maxine wurstelte in der Küche herum, dann schlurfte sie mit der unvermeidlichen Dose kalter Baked Beans (Mickey hatte immer gesagt, dass ihre ländlichen Prägungen tief in ihr verwurzelt seien, wie hoch die Sprossen der sozialen Leiter, die sie zu erklettern wünschte, sie auch tragen würden.) und einem Celebrity-Magazin in ihr Zimmer hinauf.
    In der Nacht wachte ich auf und konnte nicht mehr einschlafen. Sehnsüchtig dachte ich an die Schlaftabletten, aber ich hatte den Rest ins Klo gespült. Vermutlich war es gut so. Als ich langsam wieder in die Traumwelt hinüberglitt, die mich wenigstens ansatzweise schützend umfing, fiel mir etwas ein. Ich hatte vergessen, etwas nachzuprüfen. Plötzlich war die Angst wieder da. Ich riss die Augen auf, mein Herz raste. Ich machte die Nachttischlampe an, zwang mich aus dem Bett und kroch schier zu dem Schrank hinüber, in dem ich meine Sachen aufbewahrte. Ich verfluchte meine eigene Dummheit, als ich die Hand am Schuhfach hinuntergleiten ließ, vorbei an dem Plastikordner, hinunter zum alten Stiefelsack meines Vaters, in dem ich Louis’ Sachen aufbewahrte. Ich zog den Sack heraus und wühlte ihn mit zitternden Fingern durch. Seine ersten Fotos, das Armband aus dem Krankenhaus, die Geburtsurkunde … und dann, dem Himmel sei Dank, den Säuglingspass, den ich erst bekommen hatte. Ich öffnete ihn und starrte das kleine Bild an, das im Dämmerlicht kaum sichtbar war. Dann stopfte ich den Sack wieder in den Schrank, tiefer als zuvor. Louis’ Säuglingspass aber nahm ich mit ins Bett und ließ ihn unter mein Kopfkissen gleiten.
    Als ich schließlich wieder in Schlaf fiel, schoss mir Mickeys Pass durch den Kopf. Ich hatte ihn gar nicht gefragt, weshalb er den seinen schon hatte … Dann legte sich Dunkelheit über mich, das Vergessen holte mich ein.
    Irgendjemand weckte mich mit grobem Schütteln. Immer noch im Halbschlaf schlug ich aus, weil ich meinte, jemand wolle mich angreifen. Schließlich bekam ich mit, dass jemand immer wieder meinen Namen rief. Außerdem war da noch dieser Zitronenduft, allerdings nicht so krass wie beim letzten Mal. Verwirrt setzte ich mich auf und spähte durch den dunklen Raum zu Silver hin, der vor meinem Bett stand.
    »Was ist los?« Oh, mein Gott! Ich zog das Federbett eng um mich, die Angst ließ meine Haut vor Kälte brennen.
    »Stehen Sie auf«, sagte er in drängendem Ton. »Ich habe Neuigkeiten. Gute Neuigkeiten.«
    Ich stolperte hastig aus dem Bett, doch er war ohnehin schon weg. Also zog ich die Vorhänge zurück, um das schwache Licht des Morgens hereinzulassen, und schlüpfte in den alten Kimono. Natürlich fiel ich fast über meine Füße, weil ich es so eilig hatte, die Treppe hinunterzukommen. In der Küche saß der Polizist mit dem Kugelbauch und trank Kaffee aus einem Pappbecher, während er etwas fettig Getoastetes in sich hineinschob. Höflich nickend kaute er weiter.
    »Was ist denn, bitte schön?« Meiner Stimme war die Anspannung anzumerken. Silver zog einen Stuhl unter dem Küchentisch hervor und schob ihn mir in die Kniekehlen. Dann steckte er sich einen neuen Streifen Kaugummi in den Mund. Auf einer Wange waren schwache Kratzer zu sehen.
    »Dieses Mal setzen Sie sich besser hin, Kindchen.«
    »Was ist denn nun los? Haben Sie

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