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Morgen früh, wenn Gott will

Morgen früh, wenn Gott will

Titel: Morgen früh, wenn Gott will Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Louis gefunden? Ist er …«
    Er schnitt mir das Wort ab. »Nein, tut mir leid. So gut sind die Nachrichten auch wieder nicht. Aber …«, er hatte einen siegessicheren Ausdruck im Gesicht, so als würde er gleich die Faust in die Luft stoßen, um seinen Triumph zu unterstreichen.»… er lebt! Wir haben den endgültigen Beweis, dass er lebt.«
    Wenn ich jetzt nicht gesessen hätte, wäre ich wohl umgekippt. »Natürlich lebt er«, flüsterte ich. »Warum sollte er nicht?« Trotz meiner Worte spürte ich, wie Erleichterung mich durchflutete wie die sprichwörtlichen Lebensgeister: Und wie mir die Atemluft wegzubleiben schien, als sie wieder verebbte.
    »Aber wo ist er …« Wieder rang ich nach Luft. Ich suchte in meiner Tasche nach dem Inhalator, aber da war keiner. Wild gestikulierend deutete ich auf die Tischschublade. »Inhalator, bitte«, keuchte ich. Silver fuhr herum und griff danach. Sekunden später hielt ich meinen Lebensretter in der Hand. Dann stellte Silver eine Tasse dampfenden Tee vor mich hin und löffelte massenhaft Zucker hinein. Schließlich befahl er mir zu trinken. Deb kam mit einem Paket in die Küche, das sie dem Kugelbauch überreichte. Übernächtigt, aber ermutigend lächelte sie mich an. Der Kugelbauch verschwand in meinem Wohnzimmer und hinterließ eine Duftspur von fettem Käse. Silver rief mich.
    »Kommen Sie doch bitte hierher, Jess.« Ich ging hinüber und setzte mich vorsichtig auf das Sofa. Dabei versuchte ich verzweifelt, das Zittern meiner Hände in den Griff zu bekommen, während ich die Teetasse festhielt. Die Morgenluft war schon schwül, aber ich fror immer noch. Deb, die sich neben mich gesetzt hatte, klopfte mir ermunternd aufs Knie. Ich widerstand dem Drang, ihr meine Arme um den Hals zu schlingen und an ihrer flachen Brust zu weinen. Constable Kelly kniete am Boden und fummelte am Videorecorder herum. Er lehnte sich so weit nach vorne, dass ein breiter Streifen weißes Fleisch über seinem feisten Hintern sichtbar wurde. Er schaltete das Gerät ein, auf seinen Unterarmen glitzerten Schweißperlen. Und plötzlich war Louis im Raum, auf Mickeys kostbarem Plasmafernseher. Er blinzelte und schien verschreckt, doch er war absolut und definitiv am Leben. Er lag neben einer Ausgabe des gestrigen Daily Mirror, der unser Foto auf der Titelseite trug.
    Der Tee verbrühte fast mein Bein, dann machte er den unvermeidlichen Fleck auf das weiße Sofa, auf das ich mich seit jeher nur ungern setzte. »Sehen Sie«, sagte ich hysterisch, während ich die Augen nicht vom Bildschirm, vom Engelsgesicht meines Sohnes abwenden konnte, »Weiß ist einfach unpraktisch.« Aufgeregt vor Freude schnatterte ich drauflos und klammerte mich an Deb, die neben mir saß. »Deb, Deb, das ist Louis. Ist er nicht wunderschön? Ich hab Ihnen doch gesagt, dass er hübsch ist.«
    »Ja, Jess, das ist er. Absolut wunderschön.«
    »Danke. Danke«, murmelte ich. »Schön. Er sieht okay aus, nicht wahr?« Ich musterte meinen Sohn, wie er da auf dem Bildschirm erschien und dankte einem Gott, an den ich nicht glaubte. Dann bewegte sich die Kamera weg von ihm und seinen kleinen Händen, mit denen er in der Luft herumfuhr, von dem wuscheligen Flaum auf seinem Kopf, seinem süßen Doppelkinn und holte einen Schriftzug ins Bild, der in großen, krakeligen Buchstaben auf den Fliesenboden neben Louis gezeichnet war.
    »JETZT, WO DU MICH GESEHEN HAST, LASS MICH. ICH BIN IN SICHERHEIT.« Mehr stand da nicht. Außer dem geisterhaft flackernden Licht, das den Schriftzug von Zeit zu Zeit erzittern ließ, war weiter nichts zu sehen.
    »Was soll das denn heißen?«, knurrte ich. Verzweifelt sah ich mich um, sah Silver an, Deb, Shirl, die gerade in den Raum stolperte und nichts trug als ein T-Shirt, während ihre Haare im Afrolook nach allen Seiten abstanden. Ich suchte nach einer Erklärung.
    »Was soll das heißen: ›Lass mich.‹? Wen? Louis? Wieso glauben die, dass ich das tun würde?« Ich war sprachlos. Außerdem blieb mir die Luft weg, ich keuchte wie eine alte Frau. »Warum sollte ich meinen eigenen Sohn in Ruhe lassen?«
    »Durchatmen, Jess. Atmen Sie einfach ruhig ein und aus.« Silver kam näher, während Deb mir meinen Inhalator in die Hand drückte. »Genau das wollen wir jetzt herausfinden, Kindchen. Was diese Leute überhaupt wollen.«
    »Was haben sie denn gewollt?«, fragte Shirl.
    »Welche Leute? Wer zum Teufel sind die?«
    »Da sind wir noch dran. Bis jetzt wurden noch keine Forderungen gestellt. Dies scheint

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