Morgen, fuer immer und ewig
helfen?« Rachel lächelte. Er war ihr sofort sympathisch. Und das nicht nur, weil er wie Steve aussah. Er hatte so eine gewisse Ausstrahlung. Liebvoll. Väterlich. Etwas, dass sie selbst nie bei einer männlichen Person hatte feststellen können. Sie reichte ihm ihre Hand und erwiderte: »Ich bin Rachel Kenneth. Ich bin seit ein paar Wochen mit Steve zusammen.« Er hob überrascht seine Augenbrauen und lächelte dann breit.
»Es freut mich sehr, endlich mal eine seiner Freundinnen kennenzulernen. Sie sind übrigens die Erste, die mal bei mir vorbei kommt. Kommen sie rein. Stört es sie, wenn wir uns duzen? Ich bin Jonathan.« Ein nicht mehr enden wollender Redeschwall brach aus dem älteren Mann heraus, während er ihr die Jacke abnahm und in die Küche führte.
Da sie ihr eigenes Chaos gewöhnt war, übersah sie das Vorherrschende in der kleinen Wohnung fast. Wobei es ein sortiertes Chaos war. In einer Ecke lagen Zeitungen, in einer anderen verschiedenes Spielzeug. Eine kleine Ecke vor dem Sofa war mit Decken zu einem kleinen Nest umfunktioniert worden. Im Großen und Ganzen eine Wohnung, in der sie sich nicht völlig fehl vorkam, wie manchmal bei Steve. War er deswegen so penibel, was Ordnung betraf?
»Natürlich können wir uns duzen. Ich bin Rachel.« Er räumte einen Stuhl ab, auf dem verschiedene Papiere lagen, und setzte sich ihr gegenüber auf einen sehr abgenutzten Hocker. Anscheinend sein Stammsitz.
»Wie kann ich dir helfen?« Sie atmete tief ein.
»Ich muss wissen, warum er so kontrollsüchtig ist. Es ist wirklich sehr wichtig für mich.« Sein Lächeln verblasste und er musterte Rachel. Nicht argwöhnisch. Sondern so, als ob er sie jetzt zum letzten Mal sehen würde.
»Er war nicht immer so kontrollsüchtig. Das kam erst nach dem Tod seiner Mutter.«
»Wie ist sie denn gestorben?« Plötzlich zeichnete sich tiefe Trauer auf seinem Gesicht ab. Riss sie eben alte Wunden auf? »Sie müssen es mir nicht erzählen.« Er schüttelte nur den Kopf.
»Sie war eine Künstlerin und völlig naiv. Meine Mutter hatte sie immer eine Träumerin genannt, die völlig lebensunfähig war. Realitätsfremd würde man heute sagen. Nachdem unser Sohn in die Schule gekommen war, wurde ihr furchtbar langweilig und sie suchte verstärkt nach Freundinnen. Sie fand in einem Chat eine Gleichgesinnte, die nach ein paar Mal schreiben ein Treffen mit ihr wollte.« Er hielt kurz inne. »Ich hab mir damals nichts dabei gedacht. Aber sie kam von dem Treffen nicht wieder zurück. Diese Diana war eigentlich ein Mann und verschleppte sie irgendwohin. Ich ging zur Polizei, aber die konnten nichts heraus finden. Nach einem halben Jahr fand man ihre Leiche. Vollgepumpt mit Heroin und mehrfachen Knochenbrüchen.« Er sah auf seine Hände. »Dieser Kerl war ein Menschenhändler, der sie an ein billiges Bordell verkauft hatte. Steve hat das damals ziemlich mitgenommen, aber nach ein paar Jahren Therapie dachte ich, er hätte es verarbeitet.« Jetzt wurde ihr so einiges klar.
»Aber das hat er nicht, richtig?« Steves Vater nickte.
»Als er seine erste Freundin hatte, wich er ihr nicht von der Seite und kontrollierte alle ihre Mails und SMS. Er hat jeden in ihrer Umgebung gefilzt und durchgecheckt. Sie hat nach einem halben Jahr Schluss gemacht. Und so ging das auch bei der Anderen.« Ich legte meine Hand auf seine.
»Keine Sorge. Ich kann damit umgehen und werde nicht so schnell das Handtuch werfen.« Er lächelte mich traurig an.
»Das hoffe ich. Das hoffe ich wirklich.« Ich sah mich in seiner Wohnung um. Ein peinliches Schweigen entstand. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich noch sagen sollte. Immerhin kannten wir uns gerade mal seit ein paar Minuten. Er durchbrach die Stille als Erster.
»Wollen sie die Bilder meiner verstorbenen Frau sehen?« Ich nickte nur und machte mich auf die Werke einer hibbeligen Möchtegernkünstlerin gefasst. Er ging mit mir in eine Art Atelier und zog die Gardinen auf. Überall standen bespannte Rahmen und Farben herum. Der unverkennbare Geruch von Terpentin und Ölfarbe lag in der Luft, die sich mit etwas Altem, Staubigen mischten.
In einer Ecke standen mehrere, mit einem Bettlacken abgedeckte Bilderrahmen, die Jonathan nun enthüllte.
»Großer Gott!« Diese Bilder waren wunderschön. Rachel hatte mit verliebter Porträtmalerei der Familie gerechnet, aber nicht mit abstrakter Kunst, deren Farben stimmig und absolut harmonisch gewählt worden waren. Sie sah alle Bilder durch und blieb
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