Morgen, fuer immer und ewig
ihren Armen Gänsehaut bildete. Das waren zwar nicht genau die Worte aus dem Drohbrief, aber ähnliche. Mit dem gleichen Sinn.
»Rachel?«
»Entschuldige. Ich war kurz abgelenkt.« Konnte er es gewesen sein? Sie erinnerte sich wieder an seine Worte, als sie den Club am Samstag verlassen hatten. Vielleicht kann ich dich ja dazu bewegen, diesen lauten Lasterhöhlen fern zu bleiben. Würde er so weit gehen? Wollte er sie von sich abhängig machen?
In ihrem Inneren kämpften zwei gegensätzliche Seiten miteinander. So ähnlich wie die sinnbildlichen Engel und Teufel auf der Schulter. Der eine sagt: Das würde er nie tun . Der andere: Er würde alles tun, um dich an sich zu binden . Und sie war geneigt, auf das Teufelchen zu hören.
»Wann soll ich dich abholen? Oder kommst du zu mir ins Büro?«
»Ich komm dann zu dir. Aber wie gesagt, es kann noch etwas dauern.«
»Ist gut. Bis dann.« Damit legte er auf und sie sah den Telefonhörer mit zusammengezogenen Augenbrauen an. Als sie ihn mehr oder weniger dazu überredet hatte, eine Beziehung mit ihr zu beginnen, hatte er erwähnt, dass er schwierig wäre. Dass er Probleme hätte. Und dann waren da noch seine Alpträume.
Wollte er sie einschüchtern, um sie zu beschützen? Wenn ja, vor wem? Oder was? Sie legte den Hörer auf und startete den Internetbrowser auf ihrem Rechner. Doch die Google-Suche nach seinen Namen ergab keine Treffer. Zumindest keine Aufschlussreichen.
In seiner Personalakte fand sie zumindest die Adresse seines Vaters. Was war ihm widerfahren, dass er solche Verlustängste zeigte, obwohl sie gerade mal ein paar Tage zusammen waren? Kurz entschlossen hob sie erneut den Hörer und tippte eine wohlbekannte Nummer ein.
»Hallo John. Du musst für mich etwas über einen Steve Thompson herausfinden. Der komplette Check. Familie, Freunde, Exfreundinnen. Alles, was du finden kannst.«
Zwei Tage vergingen und nichts passierte. Steve wich ihr außerhalb des Büros nicht von der Seite und beobachtete sie neugierig, wenn sie mit ihrem Blackberry E-Mails schrieb oder im Internet surfte. Das verstärkte natürlich ihren Verdacht.
Am Donnerstagmorgen erhielt sie dann endlich eine Nachricht von John, der ihr einen relativ kurzen Bericht zuschickte.
Steve Thompson, 32 Jahre alt. Vater ist pensionierter Staatsbediensteter, Mutter ist verstorben. Seit seinem 7. Lebensjahr bei verschiedenen Therapeuten in Behandlung. Akten nicht einsehbar. Sehr guter Highschoolabschluss, Studium in Princeton - mit sehr gut absolviert. Keine Freunde. Soziales Umfeld beschränkte sich während und nach dem Studium auf seinen Vater. Danach zog er mit einer Sarah Coleman zusammen. Sie trennten sich nach einem halben Jahr. Eine weitere Beziehung mit einer Melinda Blake hielt vier Monate. Seither keine bekannten Beziehungen.
Das war wirklich kurz. Sie hatte John schon mit anderen Nachforschungen beauftragt und wusste, wie lang seine üblichen Berichte waren. Aber hier schien es nichts weiter zu geben, was nennenswert war.
Vielleicht hatte sie sich auch einfach geirrt und der Drohbrief kam von jemand anderem. Ihr Blick blieb wieder an den Namen seiner Exfreundinnen hängen. Ob sie ihr etwas über Steve erzählen konnten? Sie googelte die beiden Namen, wurde aber nur bei Sarah fündig. Sie hatte einen Facebook Account. Rachel schrieb ihr rasche eine Nachricht und bat um ein Treffen. Es dauerte drei weitere Tage, ehe sie eine Antwort erhielt.
Ich habe eigentlich mit diesem Thema abgeschlossen. Aber wenn es Ihnen so viel bedeutet, können wir uns morgen Mittag im Café Jérôme treffen.
Rachel bestätigte den Termin und wappnete sich innerlich gegen alle Eventualitäten. Steve hatte sich die ganze Zeit relativ normal verhalten. Er wollte zwar immer in ihrer Nähe sein, drängte sie aber zu nichts. Auch den Sex genoss sie nach wie vor, obwohl sie immer wieder grübelte, wie weit ihr Vertrauen ging.
Wie gesagt, er war wirklich sehr zärtlich, und sobald sie irgendwie andeutete, dass ihr etwas zu viel war, nahm er sofort Abstand. Aber dieser Brief und seine Aussage kurz danach gingen ihr einfach nicht aus dem Kopf. Sie wollte ihm vertrauen. Sie wollte ihn ... lieben. Ihn beschützen. Notfalls auch vor sich selbst.
Als Rachel am nächsten Mittag im Café ankam, sah sie sofort eine gut gekleidete Frau in den frühen Dreißigern, die allein an einem Tisch saß.
»Mrs. Coleman?« Die Frau nickte und musterte Rachel von oben bis unten.
»Es freut mich, Mrs. Kenneth. Setzen sie sich.«
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