Morgen heiratet mein Mann: Wer seinem Herzen folgt (German Edition)
noch wie fünfunddreißig gewirkt, obwohl sie Ende vierzig gewesen war.
Sie machte einen zerbrechlichen Eindruck, so als hätte sie keine Energie oder Lebenskraft mehr. Sie ließ die Schultern hängen und schien eine gewisse Wehmut oder Traurigkeit auszustrahlen. Gegen ihren Willen hatte Fiona Mitleid mit Charlotte.
Doch dann verdrängte sie diese Regung. Sie zog den Autoschlüssel aus dem Zündschloss, warf ihn in ihre Handtasche und stieg aus. Nachdem sie die Tür hinter sich zugeschlagen hatte, nahm sie die Sonnenbrille ab und drehte sich zu ihrer ehemaligen Gegnerin um. Kühl und ruhig ließ sie sich begutachten und rechnete damit, nicht erkannt zu werden.
Langsam ließ Charlotte den Blick über Fionas schlanke Gestalt gleiten. Offenbar erinnerte sie nichts an ihre ehemalige Schwiegertochter. Sie betrachtete Fiona anerkennend und wohlwollend, beinah schon bewundernd.
Seltsamerweise empfand Fiona dabei kein Gefühl des Triumphs, sondern kam sich plötzlich hinterhältig und gemein vor.
„Sie sind bestimmt Fiona“, begrüßte Charlotte sie freundlich mit ihrer sanften Stimme und lächelte herzlich, während sie ihr die Hand reichte.
Fiona war völlig entwaffnet und lächelte steif. Sie drückte Charlotte die Hand und versuchte, Ordnung in ihr Gedankenchaos zu bringen. Sie ist ja nur wegen meines Aussehens so nett zu mir, mahnte sie sich. Wenn sie jemals herausfand, wer sie wirklich war, würde sie wütend sein und ihr alles Mögliche antun. Diese Frau hatte sich nicht verändert, sie war immer noch ein Snob. Charlotte spielte ihr nur etwas vor. Am besten erfinde ich eine Ausrede und verschwinde von hier, schoss es Fiona durch den Kopf.
„Und Sie sind sicher Mrs Forsythe“, erwiderte sie. Ihre Stimme klang angenehm, und sie drückte sich gebildet aus. Nichts erinnerte mehr an ihren schrecklichen Slang von damals.
„Nein, Sie müssen mich Charlotte nennen.“ Philips Mutter hakte sich doch tatsächlich bei ihr ein und drückte ihren Arm.
Fiona schien zu erstarren. Vor zehn Jahren hätte Charlotte so etwas nie getan, nicht einmal bei Freunden oder Verwandten. Sie war eine sehr distanzierte und zurückhaltende Frau gewesen, die Körperkontakt nicht ertragen konnte.
„Immerhin werden wir ja während der nächsten Wochen viel Zeit miteinander verbringen“, fuhr Charlotte fort, ehe Fiona sich von ihrem Schock erholt hatte.
Fiona war klar, dass sie sich jetzt zu erkennen geben musste, doch sie zögerte etwas zu lange, und dann war der günstige Augenblick vorbei.
„Wie war die Hochzeit gestern, meine Liebe?“, fragte Charlotte und dirigierte Fiona ins Haus. „Das Wetter war herrlich, wenn man bedenkt, dass wir August haben.“
„Es hat alles gut geklappt“, erwiderte Fiona wahrheitsgemäß, während sie fieberhaft einen Ausweg aus der unmöglichen Situation suchte.
„Ich kann mir vorstellen, dass bei Ihnen alles perfekt klappt“, meinte Charlotte. „Ihre Pünktlichkeit, Ihr Auftreten und Ihre Erscheinung beeindrucken mich sehr. Heutzutage nimmt man es im Allgemeinen mit Terminen nicht mehr so genau, und mit dem Aussehen auch nicht. Ich habe schon immer gesagt, dass die Kleidung sehr viel über einen Mann aussagt und alles über eine Frau. Wir beide werden uns gut verstehen, sehr gut sogar, meine Liebe.“
Das hört sich schon eher wie die Charlotte von damals an, dachte Fiona. Sie gestand sich jedoch ein, dass sie mittlerweile Charlottes Meinung teilte. Denn sie hatte die Erfahrung gemacht, dass jemand, der nicht auf sein Äußeres achtete, oft auch keine gute Arbeit leistete.
Heißt das, du beurteilst jetzt ein Buch nach dem Einband, liebe Fiona? fragte eine kleine innere Stimme. Doch plötzlich wurde Fiona durch das Geräusch eines herankommenden Autos abgelenkt.
„Das wird mein Sohn sein“, stellte Charlotte fest. In dem Moment sah man auch schon den schwarzen Jaguar mit den getönten Scheiben, der neben Fionas Wagen anhielt.
Panikartig setzte sie ihre Sonnenbrille wieder auf. Sie hatte auf einmal Angst und hoffte inständig, Philip würde sie nicht erkennen.
„Hatten Sie nicht gesagt, Philip … ich meine, Ihr Sohn hätte heute keine Zeit?“, fragte sie angespannt.
Glücklicherweise schien Charlotte nicht zu merken, wie aufgeregt Fiona war. „Er hat angerufen. Corinne, seine Verlobte, hat Migräne und kann deshalb nicht mitgehen zum Essen im Jachtclub, zu dem sie eingeladen waren. Allein will er auch nicht hingehen, deshalb hat er sich entschlossen, mit mir zu essen. Ehe ich ihn
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